BG-Streitgespräch: „Love, Death & Robots“

2. April 2019, Daniel Schinzig

Seit dem 15. März ist die wilde Anthologie-Serie „Love, Death & Robots“ auf Netflix verfügbar. Die 18 Science-Fiction-/Fantasy-Kurzfilme begeistern einen Großteil der Zuschauer mit ihrem Mix aus verschiedenen Animations-Stilen und mal ultra-brutalen, mal komisch-satirischen Stories. Auch die Bereitsgesehen-Hoschis Christian Mester, Christian Westhus und Daniel Schinzig haben sich in die Welt der Bestien-Kämpfe, Eisfach-Zivilisationen und ailurophobischen Maschinen gewagt und sind zu gänzlich unterschiedlichen Meinungen gekommen. Zeit, das bei einem BG-Streitgespräch zu klären.

Drei Roboter, drei Meinungen. Aber Angst vor Katzen hat keiner der leitenden BG-Redakteure. Oder?

© Netflix

Schinzig: Kurz und knapp: Ich steh drauf. Eigentlich wollte ich am Erscheinungstag nur einmal kurz reinschauen. Und zack: Waren schon 1/3 der Folgen weg. Keine Woche später war ich durch, was für mich als sehr langsamer Serien-Gucker durchaus eine Leistung ist. Klar, die Kürze der verschiedenen Filme, die zwischen fünf und 20 Minuten Laufzeit pendeln, kam mir sehr entgegen. Aber es ist mehr als das. „Love, Death & Robots“ spricht den Sci-Fi-Fantasy-Geek in mir an, mit Betonung auf „Geek“. Die unterschiedlichen Animationsstile und Art-Designs haben optisch für wahnsinnig viel Abwechslung gesorgt, haben mich oft begeistert, immer aber mindestens fasziniert. Und auch inhaltlich kam ich meistens auf meine Kosten. Bei „Sonnies Vorteil“ dachte ich noch, dass das alles etwas arg gewollt düster und pseudocool sein könnte – wenngleich mir der letzte Twist gefiel – aber schon Folge 2, „Drei Roboter“, belehrten mich eines besseren. Ich hatte die ganze Zeit ein Dauergrinsen im Gesicht, während die drei Maschinenwesen wortwörtlich als Touristen durch die Postapokalypse wanderten.

Westhus: Mir schienen schon die ersten Eindrücke auf Netflix etwas zu cool („verkuhlt“), doch als Daniel bei der Aufnahme des nächsten Podcasts ins Schwärmen geriet und Christian sich mit seinen Ersteindrücken zumindest tendenziell anschloss, fühlte ich mich motiviert, auch mal reinzuschauen. Immerhin lag der Vergleich mit „Animatrix“ im Raum. Vielleicht hängt meine (gewaltige!) Enttäuschung damit zusammen, dass ich mir eine inhaltliche und insbesondere optische Kreativität wie damals bei „Animatrix“ gewünscht hatte. Dabei hat die Kurzfilmreihe zu „The Matrix“ gar keinen so hohen Stellenwert bei mir. Nur eine Sache war wirklich hängen geblieben: Es gab eine Menge wirklich origineller und abgefahrener Animationsansätze. Bei „LD&R“ hätte ich es am liebsten schon nach dem ersten Film, „Sonnies Vorteil“, sein gelassen. Die Gewalt der Monsterkämpfe schien selbstzweckhaft, die CG Nacktheit roch nach billigem Fanservice und den finalen Twist konnte man Kilometer gegen den Wind riechen und kommen sehen. Der Twist ist grundsätzlich nicht schlecht, aber die Auswirkungen auf Hauptfigur Sonnie und die gezeigte Welt waren mehr als überschaubar. Viel Lärm um relativ wenig, fand ich … und wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass „Sonnies Vorteil“ am Ende zu den besseren Episoden gehören sollte. Ich denke, einen nicht unerheblichen Teil meines Missfallens kann man mit der Ästhetik begründen: Im Bereich der Animation auf Fotorealismus zu setzen, ist so ziemlich das Langweiligste, was man tun kann. Aber dieser Faktor kann nicht alles sein. Das wäre mir zu simpel.

Mester: Für mich war das bisher ein reichliches Hin und Her, muss ich gestehen. Als ich las, dass „LD&R“ von David Fincher ist, bimmelte natürlich sofort mein Nerdsonar und ich freute mich drauf, schließlich ist der Junge einer der besten Filmemacher… nur um dann festzustellen, dass Fincher die Kurzfilmreihe nur produziert hat. Tatsächlich hat er keine einzige Folge inszeniert und keine einzige selbst geschrieben. Stattdessen sind die Folgen hauptsächlich von Videogame-Zwischensequenzenregisseuren, nur Tim Miller („Deadpool“, nächster „Terminator“) sticht als prominenter Name hervor. Klar heißt das nicht automatisch, dass die folglich schlechter sind nur weil die Macher unbekannter sind – ein Fincher war das auch mal – aber es wird unwahrscheinlicher, dass es so interessant/durchdacht/top inszeniert wie ein typischer Fincher würde. Mein erster Eindruck unterstreicht das sofort. „Sonnies Vorteil“ ist, wie mein Namensvetter schon erzählte, nerdiges Fanfiction Gebumse. Für 14jährige bestimmt krass fetter Shit weil computeranimierte Nippel und Kämpfergore wie man sie im Kino nicht zu sehen bekommt, aber inhaltlich absehbar und öde einsilbig. „Drei Roboter“ ist niedlich und weit besser, ein bisschen portalig, „Die Augenzeugin“ aber wieder flache Verfolgungsaction mit unnützer Exploitation. Immerhin hatten „Animatrix“ und „Batman: Gotham Knight“, die ebenfalls stilistisch gemixt Nerdstories erzählten, stets Matrix bzw. Batman als grundcooles Fundament zur Hand. „LD&R“ hat das nicht, da müssen die Handlungen mehr bieten als ein Portfolio kreativer Erzählstile. Und dass das auch mit Robotern gehen kann, hat Isaac Asimov vorgelegt.

Ist „Love, Death & Robots“ erfrischend freizügig – oder einfach nur plump?

© Netflix

Schinzig: Ich kann den Punkt von Herrn Westhus bezüglich der Langweiligkeit der gewählten Animationsarten nicht ganz nachvollziehen. Denn fotorealistisches CGI war ja nur bei einer kleinen Anzahl von Folgen die gewählte Darstellungsart. Darüber hinaus rast die Anthologie durch ganz unterschiedliche Zeichentrick- und Computeranimations-Stile. Die (zugegeben) schwache Episode „Als der Joghurt die Kontrolle übernahm“ biedert sich dem Dreamworks-Publikum an, „Alternative Zeitachsen“ fühlt sich im überdrehten Cartoon-Sektor heimisch. „Schutzanzüge“ neigt zum Cell-Shading-Style, „Zima Blue“ kommt gar extrem stilisiert daher, „Die Augenzeugin“ wiederum kann fast als Vorstufe zur audiovisuellen Verrücktheit eines „Spider-Man: A New Universe“ aufgefasst werden. Das ist mir mehr als genug Abwechslung und muss sich nicht hinter den optischen Leckerbissen eines „Animatrix“ verstecken. Die Anthologie im „Matrix“-Universum hatte darüber hinaus auch einen Beitrag in möglichst realistischer CGI-Optik zu bieten.
Ansonsten gebe ich gerne zu, dass ich (oder mein 14jähriges Ich…) mich durchaus ein wenig vom hohen Blut- und Nacktheitsfaktor gefangen nehmen und blenden lasse. Denn das erinnert mich herrlich an trashige Pulp-Comic-Hefte oder kultige Kino-Beiträge wie „Heavy Metal“. Darauf reduzieren würde ich das Ganze aber auch nicht. Denn für mich funktionieren die kleinen Geschichten (mit Ausnahmen), ich kann mit vielen der Protagonisten mitleiden, staune über so manche Bilder und Actionsequenz. Ok, in Sachen zweite Bedeutungsebene hapert es. Aber in diesem Fall stört mich das komischerweise kein bisschen…

Westhus: Ein sattes Drittel der 18 Filme sind (versucht) fotorealistisch: Sonnies Vorteil, Aquila-Rift, Gestaltwandler, Helfende Hand, Nr. 13 und Geheimkrieg. Zudem hat „Die Müllhalde“ zwar ein cartooniges Figurendesign, trabt aber mit der ultradetaillierten Umsetzung ebenfalls im Uncanny Valley herum, ähnlich wie das Pseudo-Rotoscoping von „Nacht der Fische“ und auch „Die Augenzeugin“. Letzteren mit Spider-Verse zu vergleichen (ja, ich habe das „fast“ gelesen) halte ich ehrlich gesagt für Unsinn. Bestenfalls kann man „Die Augenzeugin“ als light Version von „A Scanner Darkly“ bezeichnen. So oder so: es sind zu viele Beiträge, die ich als störend und/oder langweilig empfinde. Zu viele hochdetaillierte Gesichter, die dennoch mausetot und/oder geisterhaft wirken. Selbst die Ausnahmen sind nicht besonders schön, muss ich gestehen.
Mir ging permanent der sicherlich nicht ganz nette, aber in meinen Augen unvermeidbare Vorwurf durch den Kopf, hier nur Cut-Scenes und Intros zu Videospielen zu sehen. Videospiele, die es nicht geben wird. „Schutzanzüge“ sah regelrecht ekelerregend Videospiel-mäßig aus. Ich wartete die gesamte Zeit nur auf die Einblendung des „Google Play“ Logos bzw. auf die Aufforderung zu In-Game Käufen, als es z.B. um neue Munition ging. Das lag gerade bei „Schützanzüge“ sicherlich auch an der Handlung, die einfach maßgeschneidert für einen simplen Ressourcen-Actioner (Nennt man das so? Vermutlich nicht.) ist. „Schutzanzüge“ setzt uns auch emotionale Charaktermomente vor und tut so, als wäre das mitreißend und bewegend. Aber nichts davon wirkt. Der Kurzfilm verhält sich, als habe er in Sachen Handlung und Charaktere die Arbeit eines 90-Minüters erfüllt. Hat er aber nicht. Kann er gar nicht. Und dieser Aspekt wiegt bei mir vermutlich noch viel schwerer als die Enttäuschung über schwache Grafiken (ich meine natürlich „Animationsstile“). „Blindspot“ zeigt, dass ein halbwegs lebendiger Stil eine flache 0815-Story immerhin einigermaßen mit, nun, Leben versorgen kann. Aber insgesamt sind diese Geschichten einfach zu oft zu leer, zu flach, enden zu oft dann, wenn die eigentliche Handlung losgehen sollte. Bis auf wenige Ausnahmen haben weder Figuren noch vorgestellte Welten einen wirklichen Reiz, einen Mehrwert für den Sci-Fi und Fantasy Freund in mir. Kaum eine Geschichte beschäftigt länger als bis zum Abspann. Und das ist nicht nur schade, sondern frustrierend. Zumindest für mich.

Mester: Ich glaube, das Problem ist bereits, einen allzu hohen Mehrwert zu erwarten. Nachdem ich jetzt alle Folgen gesehen habe, ist mir klar geworden, dass die anscheinend keinerlei Absprache hatten überhaupt irgendwas zu erfüllen. Vor allem nicht, eine Anthologie cleverer Beiträge zu schaffen. Ich frag mich grübelnd, wer die Zielgruppe sein soll. Abwechslung ist toll, aber wenn man Brüste, Cartoon-Hitler in Gelatine, niedliche Roboterschussel und blutige brutale Werwolfaction in einen Topf wirft, spricht das dann als Gesamtpaket niemanden lange an. Für Spaß ists selten lustig, für Action ist es meistens zu einsilbig und wer die sehen will, langweilt sich an den wenigen, die ein interessantes „was wäre wenn“ Szenario aufbauen wollen. Da ist die mit dem weiter entwickelten Poolroboter (an dieser Stelle Shoutout an „Paranormal Activity 2“) noch die ambitionierteste, und die zweitbeste remaked bloß eine 23 Jahre alte Simpsons Folge. Stattdessen ists Rob Zombies „El Superbeasto“ trifft auf „Gears of War“ Zwischensequenzen.
Jetzt will ich aber auch gar nicht zu nörgelig klingen. Durch die kurzen Spielzeiten wird man nie lange aufgehalten und weil’s so unterschiedlich ist, gefällt irgendwas mit Sicherheit. Einen guten 5-15 Minuten Kurzfilm zu machen ist zudem schwerer als einen Langfilm zu gestalten, der schon durch mehr Erzählfläche mehr bieten kann, von daher halte ich es den Machern jetzt nicht allzu vor, hier nicht 18 Kurzfilme auf Fincher Niveau geschaffen zu haben. Das hätt er selbst nicht geschafft.
Toll hätt ichs gefunden, hätte jeder einzelne einen klar distinguierten Stil, hätten alle Handlungen was mit besagten Robotern zu tun und hätte es  gerade in den actionorientierteren mehr Platz für Humor gegeben. Für die Ernsthaftigkeit, die einige einfordern, sind Dialoge, Figuren und Handlungen nie gut genug. Ich schließe mich Daniel an, dass es durchaus mal angenehm ist, mal mehr Blut und Gewalt zu sehen. Nicht weil das an sich automatisch gut wäre, aber weils tatsächlich Elemente sind, die man selten in westlichen Animationsfilmen zu sehen bekommt. Jetzt müssten Macher die nur besser einzusetzen wissen.

Herr Mester bezeichnet die Folge „Gute Jagdgründe“ als „Battle Angel Foxita“ – ein wahrer Poet.

© Netflix

Schinzig: Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob ich in diesem speziellen Fall 18 Kurzfilme auf Fincher-Niveau hätte haben wollen; ob das, was insbesondere Herr Westhus von „LD&R“ fordert, diesem testosteronhaltigen Anthologie-Cocktail nicht sogar geschadet hätte. Herr Mester fragt nach der Zielgruppe, ich benenne sie hier einfach mal als geekige Filmfreaks, die sich beim Feierabendbier einem wunderbar anarchisch zusammengestellten Irrsinn aus bekannten Sci-Fi-Fantasy-Versatzstücken hingeben wollen. Ja, hier folgen auf welteroberndem Joghurt pseudo-esoterische Wüstenfische, Weltallhorror wird abgelöst durch Müllhalden-Folklore. Und in Verbindung mit der kurzen Laufzeit der einzelnen Beiträge liegt genau dabei der Reiz: Während man ein Abenteuer erlebt, fragt man sich bereits, wohin es einen wohl in fünf Minuten verschlägt. Die abendliche Streamingzeit mutiert zur abgefuckten Cyberpunk-Wundertüte. In der lassen sich zwar auch ordentlich Genre-Klischees und stereotype Charaktere finden. Aber dank denen funktionieren Episoden wie „Schutzanzüge“ oder „Blindspot“ dann eben doch. Eigentlich nur schlaglichtartig beleuchtete Sequenzen aus nicht existierenden abendfüllenden Filmen, ergänzt der Genre-Kenner das, was der jeweilige Kurzfilm weder zeigt noch erzählt, weiß es einzuordnen und hat dann doch wieder Spaß am Gebotenen.

Westhus: Und wem diese Ergänzung, Herr Schinzig, nicht gelingt, der ist kein Genre-Kenner? Nur Spaß, keine Sorge. Aber mir ist das immer noch zu simpel. Und ich habe doch arge Zweifel, ob „LD&R“ wirklich nur eine „abgefuckte Cyberpunk-Wundertüte“ sein wollte, wie du es formulierst. Christian fragte sich ja auch, wer angesichts dieser wilden Mischung aus Stilen, Genres, Erzähltönen und Absichten die gewünschte Zielgruppe sei. Ein arg großes Netz, welches die Serie da wirft.
Dabei versuchen doch nicht wenige Episoden ganz explizit mehr zu sein als simple „Heavy Metal Reloaded Geek Verkuhlung“. Gehen wir mal ein paar Beispiele durch: „Aquila-Rift“ ist mit seinem Sci-Fi Startpunkt, der „Kreatur“ und dem, was dann dort passiert, überaus ambitioniert. Zu ambitioniert für 15 Minuten – insbesondere dann, wenn man reichlich Zeit mit einer albernen CG-Sexszene verschwendet. Die angedeutete weiterführende Narrative am Ende ist sogar für einen Kurzfilm sehr geschickt und lädt zu Überlegungen ein. Das emotionale Potential übersteigt hier doch massiv das, was man von einem anarchischen Bierabend unter Geeks erwarten könnte. „Gute Jagdgründe“ nimmt sich nicht nur einer wirklichen Kreatur aus der chinesischen Mythologie an, sondert kreiert im folgenden Steampunk Szenario auch eine klar und deutlich feministisch angehauchte Rachegeschichte. Der Film überschätzt sich massiv mit der politischen Ebene zur Besetzung Hongkongs durch die Briten, aber mit Teils eindeutigen Dialogzeilen und Bildern zu Sexismus, Ausbeutung, Missbrauch und Folter übersteigt das hier in seiner Absicht theoretisch mindestens einen „Kill Bill“. Nur ruiniert sich der Film mit dieser Absicht zur feministischen Rache selbst, wenn er uns erlaubt bzw. sogar auffordert, die weibliche Nacktheit der Folterszenen anregend zu finden. Oder nehmen wir „Gestaltwandler“: Der Krieg in Afghanistan/gegen die Taliban ist schon mal grundsätzlich das Gegenteil von Eskapismus. Dann beschwört der Film eine neue Ebene des Rassismus hervor, die er nicht wirklich erforscht, die aber in ihren banalen Momenten unmissverständlich ist. Statt aber hier weiter zu gehen, gibt es nun männliche CG-Nacktheit und ausgedehnte brutale Kampfszenen. Der Einstieg des Films schreit geradezu danach, eine größere Verbindung zwischen den Wölfen (amerikanischen Wölfen und arabischen) zumindest zu erforschen. Das wurde zwischen wilden Splatterszenen dann aber wohl irgendwann vergessen. Soll heißen: Viele Episoden haben ohne Zweifel höhere Absichten und Ansätze, die sie dann aber nahezu ausnahmslos vergessen oder versauen. Reiner „Heavy Metal Fakk Yeah!“ Irrsinnsspaß sähe für mich anders aus.
Aber wenn ich das richtige lese, sieht auch Herr Mester die beste Folge in „Zima Blue“, die einzige Episode mit einem wirklich konkreten Stil, mit gelungenem World Building, mit einem größeren Thema und sogar einem (funktionierenden) emotionalen Endpunkt. Mit großem Abstand die beste Folge. Und irgendwie hätte ich Geld darauf verwendet, dass Christian die ins untere Drittel setzen würde. Manchmal bin ich froh, mich zu irren.

Mester: Knallharte Space Marines, Werwolfduelle, Cyberpunk und abgefahrene Alienkreaturen stehen auf meiner Interessenskala eigentlich weit höher als die kunstversierte Transzendenz von Haushaltsmaschinen, doch so nett das alles teils animiert sein mag, ergibt sich in fast allen Fällen Reminiszenz ähnlicher, besserer Stoffe. Für mich muss dafür auch nicht zwingend alles tiefsinnig sein, mir kann auch simpelste Actioninszenierung gefallen, doch bei vielen der Stories fehlt mir ein elementares Element: Bindung zu Figuren. „Gestaltwandler“ mag überaus herb sein mit seinen Lykanersoldaten die sich bis aufs Blut bearbeiten, doch selbst „Underworld 4“ wusste eine fähige Figur ins Zentrum zu stellen. Eine Heldenfigur muss ja nicht unbedingt sympathisch, ähnlich oder realistisch sein, aber zumindest interessant oder badass. Die meisten der „LD&R“ Figuren, wie eben jener Gestaltwandler, wirken aber wie belanglose Platzhalternebenfiguren. Jede der Stories wär besser, wär 90er Steven Seagal involviert. Fakt oder fucked?
Ich glaub an dieser Stelle nenne ich mal meine infernalen Favoriten. Bra, mein Liebling ist nicht „Zumba Eiffel65“, sondern „Blindspot“. Zwar zusammengeklaubt aus Kram wie „Mad Max“, „Borderlands“ und „Redline“, ists eine angenehm kurzweilige Heist-Sequenz mit guter Actioninszenierung, schön schnittig auf den Punkt gebracht. Die mit dem Robo-Banksy wär mein zweiter, weils die originellste Geschichte von allen ist. 3 geht an das starcraftige „Schutzanzüge“. Weitere Highlights sind Mary Elizabeth Winsteads Hintern, die drei Roboter aus „Drei Roboter“, die fesche Optik von „Die Augenzeugin“ und der Geisterhai aus der Wüste.

Frischer Joghurt oder saure Milch? Die Meinungen der BG-Redakteure gehen auseinander…

© Netflix

Schinzig: Disqualifizieren sich denn Geschichten automatisch als verrückter Ritt, weil sie eine zweite Bedeutungsebene ankratzen? Und müssen Themen, die vielleicht etwas ungeschickt in die Story gemischt werden, immer vollumfänglich ausgespielt werden und in jeglicher Konsequenz durchdacht sein? Versteht mich nicht falsch: Wenn das als Intention zweifelsfrei erkennbar ist, sollte das im Idealfall passieren. Aber im Fall von unseren liebestoten Robotern habe ich das Gefühl, dass zum Großteil nie mehr als Versatzstücke von etwas ähnlichem wie Anspruch geliefert werden sollen. Kleine Schnipsel an thematischem Unterbau, die denjenigen, die etwas darin erkennen wollen, vor die Analysepfoten gelegt werden. Und dann wieder: Auf die Fresse. Damit mache ich jetzt allerdings am Ende unserer kleinen Diskussionsrunde ein Fass auf, das schon überschäumt vor Sollte-man-mal-drüber-reden-Bier. Daher schlage ich vor, das bald an anderer Stelle erneut aufzugreifen. Und ganz nebenbei: Unterschätze niemals einen anarchischen Bierabend unter Geeks, Herr Westhus. „Zima Blue“ und „Blindspot“ waren übrigens ebenfalls Favoriten von mir, große Freude hatte ich auch mit den drei Robotern.

Westhus: Müssen sie „vollumfänglich ausgespielt“ werden? Hm, vielleicht? Ich denke einfach – und das ist natürlich erneut super-subjektiv – dass diese Episoden in ihrer jetzigen Form weder Fisch noch Fleisch noch Gemüse sind. Auf drei Ebenen: (1) Sie taugen (für mich) nicht als stilistische/visuelle Spielwiese, um die Grenzenlosigkeit der Animationswelt zu erleben, da sie es entweder gar nicht oder hässlich/langweilig versuchen. (2) Sie sind als reine triebgesteuerte Eskapismus-Geek-Unterhaltung ungeeignet, da letztendlich nicht eine Episode (außer vielleicht „Blindspot“) wirklich ungehemmt vom Leder lässt und ungeniert Unterhaltungsfetische durchspielen will. Diese Hemmung rührt daher, dass sich zu viele Episoden narrativ und/oder thematisch blockieren, sich eben doch mehr aufhalsen als sie leisten können, den Unterhaltungsfaktor bewusst runterschrauben, um mehr zu leisten. Doch leider führt dieser Mehraufwand (3) nur zu mehr Langeweile und zusätzliche Frustration, da die narrativen/charakterlichen/thematischen Versuche auf halber Strecke wieder vergessen werden, ohnehin keine Rolle spielten oder durch widersprüchliche Inszenierung ins Gegenteil verkehrt werden. „LD&R“ ist somit ein bisschen wie „Sucker Punch“. Die ungehemmte und unterhaltsame „Jungen“-Phantasie hätte man doch gerne genommen, doch stattdessen sollte es mehr werden, was dann aber nicht gelang, womit der Film bzw. nun die Serie weder die eine noch die andere Seite zufriedenstellen (befriedigen) kann. *schulterzuck*
Kurzes Ranking: Zima Blue >>()>> Drei Roboter > Helfende Hand > Aquila Rift > Blindspot. Eine zweite Staffel von „LD&R“ wird unweigerlich kommen. Und ich werde erneut reinschauen. Aber wenn ich nach drei, vier Episoden merke, dass es in eine ähnliche Kerbe schlägt, war es das dann wohl für mich.

Schinzig: In gewisser Weise stimme ich sogar mit euch überein: In dem Konzept steckt wesentlich mehr Potenzial, als mit Staffel 1 ausgespielt wurde. Dementsprechend freue ich mich wahnsinnig auf die Fortsetzung, die bestimmt zeitnah angekündigt wird. Und bis dahin schaue ich einfach noch einmal das, was wir bisher haben. Nun vielleicht auch mit anderen Augen.

Und jetzt seid ihr dran. Diskutiert mit uns im Forum weiter. Habt ihr „Love, Death & Robots“ bereits gesehen? Wie fandet ihr es? Was waren eure High- und Lowlights? Welcher der drei BG-Meinungen könnt ihr euch am ehesten anschließen? Und habt ihr auch Angst vor Katzen? 

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