BG Kritik: „Thor“
Als Teil der 2012 erscheinenden „Avengers“: Donnergott Thor wähnt sich schon als König von Asgard, dem kosmischen Reich der mächtigen Hüter, die auf der Erde als nordische Götter verehrt wurden. Wegen seiner Arroganz und Unbeherrschtheit verbannt König Odin seinen Sohn Thor jedoch auf die Erde. Dort ist er machtlos, während sein Bruder Loki in Asgard Intrigen spinnt und bald sein Auge auf den verhassten Bruder und die Erde geworfen hat.
THOR (2011)
Regie: Kenneth Branagh
Darsteller: Chris Hemsworth, Tom Hiddleston
Kritik:
Stop – Hammertime! Thor Odinson mag hierzulande nicht unbedingt als US-Comicheld bekannt sein, hat im Original aber Ursprünge, die man in Germanien wohl kennen darf. Bei uns nannte man den sagenhaften Wettergott Donar, im Norden Thor, daraus wurde Donnergott Thor, den die US-Comictüftler von Marvel anno 1962 in ihre Helden-Mythologie stibitzten. Thor wurde zum fliegenden Blitzebeschwörer (Raiden mit rotem Cape), sein Hammer zu einer der mächtigsten Waffen des Comic-Universums, sein Bruder Loki zu einem der gefürchtetsten Bösewichte. Dass Comic-Thor einmal in die Kinos kommen würde, stand nun spätestens dann zur Debatte, als der erste Marvel Studios Film „Iron Man“ 2008 zum Riesenerfolg wurde.
Schon hier sah man den Plan, verschiedene Helden aufzubauen und letzten Endes aufeinander treffen zu lassen, 2012 im Superheldenepos „Avengers – Die Rächer“ mit Thor, Hulk, Iron Man, Nick Fury und Captain America, und anderen bereits eingeführten Figuren (wie den bitte immer erwähnten Agent Coulson, den Thor sympathischer Weise Sohn Couls nennt). Als es bekannt wurde, rätselten selbst Comicfans, wie man die fantasielastige Mythenwelt Thors mit Iron Mans Science-Fiction verbinden würde. Dafür reservierte man sich einen Regisseur, der für derartige Stoffe in der Regel nicht in Frage kommt: Kenneth Branagh. Seines Zeichens Shakespeare-Fan, angesehener Theater- und Filmregisseur von ernstzunehmenden, anspruchsvollen Charakterstoffen, nicht von Stoffen über interstellare Superkrieger, die auf fernen Planeten Riesenmonster kaputt kloppen. Ein gelungenes Wagnis? Oder ein ebensolcher Fehlgriff wie Gavin Hoods „X-Men Origins: Wolverine“, nachdem dieser zuvor das Afrika-Drama „Tsotsi“ inszeniert hatte?
Dass Thor seine Fantasy-Herkunft mit stolzer Brust nimmt, wird schon von Beginn an deutlich gemacht: güldene Mega-Bauten erheben sich auf einer scheinbar fliegenden Insel, die die planetarisch weit entfernte Fantasy-Welt Asgard darstellt. Hier wohnt eine menschenähnliche Kriegerrasse, die sich selbst zu Ehren meterhohe Statuen baut und die mit Ehrfurcht zu ihrem größten Meister König Odin aufsieht (wobei sie weder so cholerisch, noch so übertrieben kampffixiziert wie die Spartiaten, noch so narzisstisch und FKK-liebend wie Beowulf sind). Odin will in die längst überfällige Rente, weswegen es am Hofe unweigerlich um die Thronfolge geht. Da dafür schließlich mehr als einer in Frage kommt, beginnt ein familiärer Zwist, der unweigerlich – gell, Branagh – an Shakespeares Werke erinnern darf.
Klanglich tun das auch die Dialoge, die bei den (von uns aus gesehen außerirdischen) Asgardianern ritterlich und leicht hochgestochen klingen. Geht es das erste Mal auf Actionkurs, trifft Fantasy auf Sci-Fi: hinter einer Regenbogenbrücke, die auch Teil eines Barbie-Spielsets sein könnte, steht eine Art Stargate mit dem man in andere Welten reisen kann (u.a. zur Erde), bewacht vom Torwächter Heimdall (dem schwarzen (und immer guten) Idris Elba, dessen Hautfarbe in manch rassistischen Fankreisen tatsächlich zu zornigen Protestaufrufen führte), der Rick Moranis und Zuul alle Ehre macht. Es geht aber zunächst auf einen Eisplaneten, auf dem, ohne noch mehr vorweg zu nehmen, fiese Frostfratzen mit dem magischen Superhammer zu Eiswürfeln zerbröselt werden. Was Marvel hier auftischt, ist eine Welt der Abers und Dochs. Die fremden Welten sehen zum Teil fantastisch und hervorragend gemacht aus, doch da es abgesehen von einem Schwenk über eine Asgardianer-Masse nur die galante Königsfamilie zu sehen gibt und die Frostriesen auf ihrem Planeten wirken, als säßen sie nur herum und warteten auf ihren Einsatz (zerschmettert zu werden), wirken sie nicht glaubwürdig, echt, bewohnt, belebt. Die Kostüme der Figuren sehen prinzipiell fantastisch aus, haben aber auch etwas plastikhaftes an sich, das sie gerade auf der Erde nach (immerhin gut gemachten) Cosplay aussehen lässt.
Ein Hin und Her, das so auch auf der Erde fortgesetzt wird. Hier ist es die Fisch-aus-dem-Wasser Story, in der es lustig ist, den arroganten Königssohn auf Facebook und Tischmanieren treffen zu lassen. Das ist durchaus amüsant zu sehen (und zum Glück kurz gehalten; Thor ist keine Komödie), viel mehr als das und die obligatorische Selbstfindung nach fatalistischer Ausgrenzung gibt es jedoch leider nicht. Ein weiteres Aber findet sich hinter den Charakteren: Chris Hemsworth als gescholtener Gottessohn, Anthony Hopkins als bärtiger Allvater Odin Allvater, Tom Hiddleston als listiger Loki, Stellan Skarsgard als betrunkener Wissenschaftler und Natalie Portman als zappelige Love Interest sind allesamt besser als es Filme wie diese eigentlich gewohnt sind (und oftmals: verdienen, wobei allein für sich niemand so gut ist wie Downey jr. in Iron Man), doch obwohl die versammelte Riege vortrefflich ist, ist es das Script nicht. Schwerer Blutverrat, Frühlingsgefühle und tiefste Trauer sind alles Teil der Geschichte, werden aber lapidar runtergehandelt, sodass nichts davon ankommt und bewegt. Shakespeares Werke sind für große Worte und bemerkenswerte Theatralik bekannt, doch auch wenn Shakespeare Thor nich geschrieben hat (oder doch? Roland Emmerich weiß es im Herbst) hält sich der shakespearsche Anspruch in Grenzen.
Zimmert sich Thor denn wenigstens den Unterhaltungs-Bifrost ins Zentrum? Durchaus, denn auch wenn die Actionszenen bis auf die erste sehr kurz ausfallen, sind sie unterhaltsam gemacht. Branagh macht seine Sache aber solide und besser als erwartet, was von definitiv guten Special Effects unterstrichen wird. Fragt sich bei allem Pipapo der nordisch-mythisch-intergalaktischen Excalibur-Variante (nur ein Würdiger kann Thors Hammer Mjolnir aufheben, MC Hammer sagt sonst „Can’t touch this“), inwiefern Thor als Geekfilm funktioniert, für alle diejenigen, die wissen, warum es lustig ist, dass auf Jane Fosters Jacke Donald Blake steht (weil es in den Comics der Menschenname Thors ist)… oder zumindest, welcher berühmte Comiccharakter mal „Gamma-Experimente“ gemacht hat (Hint: Bruce Banner, der Hulk). Diesbezüglich hämmert Thor mit Schmackes in die geeksche Waagschale und hat einiges zu bieten. Die umgesetzten Comicfiguren sind durch die Bank weg sehr gut getroffen (unter dem dicken Rauschebart des Kriegers Volstagg steckt Punisher Ray Stevenson) und als Comicfan könnte man sich wohl kaum eine bessere Umsetzung der zentralen Figur Thor erhoffen. Thor fliegt, hämmert sich vorbildlich durch seine Gegner wie den Destroyer und bringt eine sympathische Überheblichkeit mit sich, die das Zusammentreffen mit Downey Jrs. Iron Man äußerst interessant werden lässt. Ein weiteres Highlight ist Hiddleston als Loki, der sich vor den schwachen Zeilen grämt, insgeheim aber eine sehr gute Leistung abgibt (Loki wird noch öfters gesehen werden, u.a. schon im nächsten Jahr in Avengers). Dazu gibt es diverse bekannte Items* aus den Comics und eine Szene nach dem Abspann, die bereits ein Gadget aus Captain America zeigt und ebenfalls auf Avengers hinweist. Kurzum: als Kenner der Comics darf man zufrieden mit „Thor“ sein und freut sich über die vielen Kleinigkeiten, auch wenn ein hastig hinzu gefügter, und nicht wirklich genutzter Hawkeye (eine Art Bullseye mit Bogen) aufgrund seiner Passivität fast schon frustriert. Aber das soll Geekkritik auf gehobenem Anspruch sein.
*in Odins Schatzkammer genau hinsehen, da liegt unter anderem Dr Stranges Amulett und Thanos‘ Handschuh
Fazit:
Man wäre ein Tor, gäbe man diesem Thor keine Chance; mag man aufwendig produzierte Comicfilme aus dem Hause Marvel, ist es ein unterhaltsamer Fantasy-Actioner. Guter, aber nicht vollends durchschlagender Erfolg.
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