BG Kritik: „Atemlos – Gefährliche Wahrheit“

14. Juli 2011, Christian Mester

ABDUCTION (2011)
Regie: John Singleton
Cast: Taylor Lautner, Michael Nyqvist, Sigourney Weaver

Story:
Bei einer banalen Hausarbeit stellt der junge Nathan Harper (Taylor Lautner) mit Erstaunen fest, dass er auf einer Internetseite als „im Kindesalter entführt“ eingetragen ist. Kaum hat er seine vermeintlichen Eltern darauf angesprochen, erscheinen auch schon mysteriöse Männer, die über Leichen gehen, ihn aus irgendeinem Grunde – womöglich der „gefährlichen Wahrheit“ – tödlich zu erwischen.

Dem Elternhaus mit den nun als falsch offenbarten Angehörigen knapp entkommen, werden er und seine Freundin (Lily Collins) kurzerhand von einer Bekannten (Sigourney Weaver) gerettet, die sich als Agentin entpuppt und den beiden rät, bis zu einer erneuten Kontaktaufnahme niemanden sonst zu vertrauen. Während sie daraufhin gemeinsam weiter fliehen, versuchen ein nervöser CIA Agent (Alfred Molina) und ein Killer aus dem Ausland (Michael Nyqvist), Nathans Sixpack in die Finger zu kriegen.

Kritik:
Taylor Lautner. Was darf man 2011 von Taylor Lautner halten? Er ist der Junge aus den Twilight Filmen, der in jenen nur dabei ist, um hin und wieder plakativ sein T-Shirt auszuziehen. Während seine Co-Stars Kristen Stewart und Robert Pattinson seit dem ersten Teil offensichtlich bereut haben, ihre Rollen je angenommen zu haben, muss man Lautner zugestehen, dass er sich seiner nicht schämt. Im Gegenteil, in den Filmen ist er stets der einzige, der mit vollster Intensität spielt und seine Rolle – so schlecht sie auch geschrieben sein mag, und das ist sie – mit der Inbrunst eines Broadway-Darstellers angeht. Das Problem? So sehr er sich bislang auch bemühte, brachte sein lobenswerter Arbeitseifer nichts – er war dennoch genau so schlecht wie die unübersehbar gelangweilt agierenden Pattinson und Stewart, weswegen auch er dem allgemeinen Spott nicht entkommen konnte. Wie Pattinson gilt er als Witz, der spätestens nach dem letzten Twilight verklungen sein sollte.

Nun haben sich Pattinson und Stewart bereits abseits der Twilight Reihe gewagt; dass Pattinson mehr als den einsilbigen blassen Vampir kann und besser in die seriöse, ruhige Schiene passt, zeigte er in den akzeptablen Dramen Remember Me und Wasser für die Elefanten. Auch Stewart drängte es zu leiseren Rollen, spielte akzeptabel in Into the Wild, The Runaways und Adventureland. Beide werden sicherlich ihren Platz in derartigen Rollen behalten und nach den Twilights nie wieder größer auffallen, doch Lautner scheint andere Ziele zu haben. Er will den großen Rubel und stürzte sich dafür nun in „Atemlos“, einem Teen-Thriller im Stil von „Jumper“, „Ich bin Nummer Vier“ und „Stormbreaker“, der ihn als nächsten großen Star für große Mainstream-Produktionen etablieren soll – manch einer schimpfte ihn sogar bereits „den neuen Tom Cruise“, die Reihe als „den neuen Bourne“. Welch Unterstützung er für seinen Actioner bekommen sollte: Sigourney Weaver, Alfred Molina, Jason Isaacs, illustrerweise hat sein aktueller Actionfilm sogar den selben Bösewicht wie Tom Cruise in seinem kommenden Mission Impossible 4: Phantom Protokoll: Michael Nyqvist, den Michael Blomkvist aus der schwedischen Salander/Blomkvist-Trilogie. Dann gibt es noch Regie von John Singleton, der mit Vier Brüder und 2 Fast 2 Furious bereits solide Popcornunterhaltung, mit Boyz n the Hood und Poetic Justice sogar mal Gehaltvolles inszeniert hat. Kann das Unmögliche gar wahr geworden sein?

Wie zu erwarten war, natürlich nicht, jedoch ist Atemlos keineswegs der große kreative Vollgau der Peinlichkeiten geworden, der er mit Leichtigkeit hätte werden können. Die Handlung ist trotz hanebüchener Erklärungen nicht abstruser/schlechter als in den meisten anderen Actionfilmen, wenn auch typisches 0815 aus der Agentenfilmkiste, und es gibt mehr als genügend dynamische Szenen, dass niemals wirklich Langeweile aufkommen mag. Alle Auftritte der etablierten Gaststars sind zumindest annehmbar, Phil Collins‘ Tochter Lily Collins ist eine typische Dekogeisel und der Film driftet trotz dieser Möglichkeitne niemals merklich in Teenromanze, oder in andauernde Körperschau Lautners ab.

Es würde zu leicht fallen, Taylor als Talentmisere auszurufen und ihm alles anzuhängen, doch während er selbst passabel ist, weist das Drehbuch große Schwächen auf. So gibt es hinreichend viele Genremomente mit Blei, Stunts und Handkanten, doch obwohl sie durchaus kompetent, wenn auch stets auffällig klein inszeniert sind (der große Häuserstunt vom Poster samt Hubschrauber im Hintergrund? Im Film slidet Taylor lediglich eine kleine Glasfront herunter, nicht einmal von einem Hochhaus), gibt es nie gelungene Abschlüsse, keine Oneliner, keine Money Shots, keine Höhepunkte. Es wird sich zwar im Zug geprügelt, es gibt Explosionen und Klettereien, aber sie alle wirken unnötig klein und auffällig blutfrei gehalten, missen jegliche Highlights – als wären sie drin gewesen, aber entfernt. Völlig unverständlich ist zudem, wieso man Lautners Figur selbst nicht zum Helden macht; in den meisten Auseinandersetzungen bekommt er seine Kauleiste deftig poliert oder entscheidet sich dazu, mit seiner Freundin wegzulaufen. In einer prägnanten Szene bemerkt sie sogar, dass er im Schlaf geweint hat, weil er solche Angst hat. Das hilft nicht unbedingt, Zweifler zu überzeugen, in ihm den neuen Statham zu sehen, der er gern wäre. Der fast schon spöttische Witz daran ist, dass er in seinen ersten Minuten noch als angstloser Draufgänger vorgestellt wird. In der Eröffnungsszene macht er Zoe Bells Autostunt aus Death Proof nach, kurz darauf wird gezeigt, dass er seit jeher von seinem Vater in Martial Arts ausgebildet wird. Was also fehlt, ist eine Szene, in der er entschieden auf den Putz haut und alle seine übermächtigen Gegner lang macht, Nyqvist, Molina und diversen Goons die Gedärme neu sortiert. In seiner Rolle spielt er auch sichtlich immer wieder mit dem Gedanken, wie Statham in seinen Transporter Filmen das Jackett einfach mal auszuziehen und dann so lange Klinken auszuteilen, bis keiner mehr steht, aber dieser Moment kommt einfach nicht. Stattdessen lässt er sich, vom Script gezwungen, ausschließlich von seinen nebulösen Bekannten helfen und meistert damit sogar den finalen Showdown. Da Atemlos auf eine Trilogie ausgelegt ist, kann man nur raten, wo das noch hinführen soll(te – da der Film in den USA gefloppt ist, sieht es nicht danach aus, als kämen Atemlos 2: Flucht mit Schnuffeltuch und Atemlos 3: Mama, heute habe ich mir die Schuhe das erste Mal selbst zugebunden). Es ist, als wollte der bisher unbekannte Drehbuchautor Shawn Christensen zwingend unbekannt bleiben, auch mit anderen Hauptdarstellern und Regisseuren wäre aus dem Stoff nie eine volle Empfehlung werden können.

Es ist eine vertane Chance, denn auch wenn Lautner hier wieder nur relativ oberflächlich agiert und in Sachen Akteurstalent eher Lorenzo Lamas als Matt Damon ist, passt seine stumpfe Art wesentlich besser zum Material, als wenn er ansonsten passionierte Liebesbekundungen in der Vampirreihe von sich gibt. Mit etwas Politur könnte er es vielleicht tatsächlich zu etwas bringen, vielleicht nicht regelmäßig ins Kino, aber wenn Cuba Gooding jr. zahlreiche gut gehende DVD-Actioner schafft, sollte er das auch hinbekommen.

Die übrigen Darsteller werten den Film auf, sind aber allesamt unterfordert. Hoffen darf man, dass sich Nyqvist für MI4 noch umorientiert hat: visuell gibt der in der Verblendung-Trilogie sehr bequeme, hier dünnere Schwede einen hervorragenden Bösewicht ab, dem man glaubt, Lautner mit bloßen Händen zerquetschen zu wollen, doch jedes Mal, wenn er spricht, reißt er unverständlicherweise den Mund übertrieben weit auf, als versuche er beim Sprechen, verkeiltes Lakritz aus seinem Backenzahn zu pulen. Singletons Regie ist, hält man es kurz und schmerzlos, hinnehmbare Werksarbeit, mehr nicht. Geschwächt wird der Gesamteindruck abschließend noch von Komponist Edward Shearmur, der zuletzt Schund wie Reine Fellsache, Fantastic Movie, College Road Trip und 88 Minutes vertonte – und sich dementsprechend mit nichts qualifizierte, einen strebsamen Actiontitel zu untermalen.

Fazit:
Es ist in der Tat nicht (gänzlich) Lautners Schuld, dass „Atemlos“ ein nur maximal durchschnittlicher Actioner geworden ist: Script und Soundtrack lassen stark zu wünschen übrig, und auch Singleton kann nicht unbedingt behaupten, sich merklich angestrengt zu haben. Dass Lautner nicht besser kann, will angezweifelt sein. Mehr als das hier sollte noch möglich sein.

4 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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