BG Kritik: „Star Wars Episode 8 – Die letzten Jedi“

16. Dezember 2017, Christian Mester

Nach den Ereignissen des letzten Films ist die junge Rey bei Altmeister Luke gelandet – doch der will mit den Mächten nichts mehr zu tun haben. Finn und die anderen indes wurden von Snoke und General Hux entdeckt, die die verbleibenden Rebellen unaufhaltsam jagen. Es müsste schon ein größenwahnsinniger Plan (oder Porgs) her, um dem Empire ein weiteres Mal entkommen zu können…

(C) LucasFilm

Star Wars – Die letzten Jedi
Star Wars: The Last Jedi (US 2017)
Regisseur: Rian Johnson
Cast: Daisy Ridley, Mark Hamill, Carrie Fisher, John Boyega, Adam Driver, Oscar Isaac

Dass der erste neue Star Wars mutlos beim Alten bleiben würde, war Ende 2015 abzusehen und als solches auch ohne Probleme zu akzeptieren. Die Marke war lange Zeit nicht mehr im Kino gewesen (abgesehen vom katastrophalen Clone Wars Pilotfilm), und da manch einer Episode 1 1999 als unverzeihliches Trauma empfunden hatte, sollte die neue erste Episode bloß Figuren einführen, ansonsten aber unbedingt auf Nummer Sicher gehen und Gewohntes zeigen. Das gabs also, inklusive neuem Todesstern. JJ Abrams vollführte diese durchaus schwierige Aufgabe auch wohl hervorragend, denn bis auf Harrison Fords Han Solo inszenierte er alles Bekannte vortrefflich, und brachte mit Rey, Finn und Kylo Ren spannende neue Figuren (BG Kritik).

Als es dann gen Episode 8 ging, gabs zunächst Grund, wie Chewie aufgeregt zu jaulen, oh Wookiee, oh Wookiee. Rian Johnson, der mit Brick und Looper zwei wirklich gute, und vor allem wirklich unkommerzielle Titel gemacht hatte, sollte den neuen Teil nicht nur drehen, sondern auch schreiben. Letzteres durfte einem jedoch ein klein wenig Sorge machen, als bekannt wurde, dass man bei Disney keinerlei Gesamtplan für die Trilogie hatte. Verantwortlungslos? Vielleicht, hieß aber auch, dass ausgerechnet im größten Filmfranchise aller Zeiten auf einmal Platz für Kreativität da war. Ein löbliches Wagnis, das bei Herr Rian Johnson allerdings in den falschen Händen gelandet ist.

(C) LucasFilm

Er schien sich drei Grundsätze gesteckt zu haben: die ganzen großen Fanerwartungen der letzten zwei Jahre Spekulation aus Prinzip zu widerlegen, weniger auf Nostalgie zu setzen und dann noch, falls Zeit bliebe, einige neue Ansätze zu setzen. Das klingt prinzipiell nach einem guten, vernünftigen Plan, will man Star Wars für die nächsten Jahre (und Disney wird nach Episode 9 gewiss nicht aufhören) revitalisieren – so wie sogar Fast & Furious 8 gezielt Figurenkonstellationen änderte – doch in diesem Falle steckte mehr dahinter. Mehr Vermerk auf den ersten Teil dieser Aufzählung, denn Johnsons ‚Überraschungen‘ tendieren oftmals zu Spott. Star Wars Celebration? Eher Mel Brooks‘ Spaceballs Celebration?

SPOILERALARM: Möge der Spoiler mit dir sein.

Okay, dass Reys Eltern niemand Wichtiges waren ist eine brauchbare Idee, da das Star Wars Universum so schon klein ist und seltsamerweise jeder mit jedem verwandt ist oder miteinander zu tun hat. Wie sie es aber erfährt und was Johnson daraus macht, führt es zu nicht mehr als einem trockenen „Aha“. Es beantwortet eine der offenen Fragen mit einem Nichts. Was hat der Zauberer in seinem Zylinder? Nichts. Wow, damit beeindruckt man keine Kinder – und machen wir uns nichts vor. Star Wars ist für das Kind in uns allen, und auch wenn Die letzten Jedi gerade mit Blick auf Kylo Ren ein klein bisschen mit erwachseneren Themen wie Dissonanz, Ambivalenz und Identitätssuche spielt, bleibt auch dieser ein flacher, bunter Fantasyfilm ohne greifbare dramatische Stärken (es ist eine Lachnummer, dass Disney den Film als Regie/Darsteller/Drehbuch/Film Oscar-Kandidaten pusht). Zumal Johnson seine angeteaste Ernsthaftigkeit laufend selbst untergräbt, indem während der finalen Schlacht Zeit für lustige Reaktionen der Merchandise-Plüschtiere bleibt, indem Luke Skywalker eine Weltraumkuh milkt, indem BB8 wild piepend mit einem AT-ST Amok läuft und es sogar einen schwarzen bösen BB8 gibt, indem Luke und Rey laufend die urigen Inselbewohner nerven, indem kurz vor der drohenden Auslöschung der letzten Rebellen noch Platz für ein halbstündiges „rettet die Tiere“ Sidequest mit einem neuen Lando bleibt, indem erwähnt wird, dass die Waffe zum Schluss mit Todesstern-Technik funktioniert (außer in Episode 1 wird ein Todesstern somit in jedem (!) Star Wars Film erwähnt oder gezeigt) und indem vor allem die zu fürchtenden Antagonisten blamable Cartoonfiguren sind.

War das Imperium unter Sidious, Vader und Tarkin eine ernstzunehmende Gefahr, ist das Trio Snoke, Ren und Hux ein Haufen inkompenter Enttäuschungen. Hux (der eigentlich gute Domhnall Gleeson) wird hier eine noch größere Witzfigur, als er es noch im ersten war, darf sich dieses Mal einen „deine Mutter“ Witz anhören und sich als stolzer Anführer einer riesigen Armee mehrfach vor den Augen seiner Untergebenen deckeln lassen. Supreme Leader Snoke mag mit seinen großen Mächten imposant wirken, doch sein Dude-hafter Morgenmantel, seine rasche Niederlage und sein banales, uninspiriertes Geschwätz lassen Sidious‘ Kämpfe gegen Mace Windu und den herumhopsenden Yoda wie das Duel der Fates wirken. So Supreme kann er zudem nicht sein, da sich seine ach so überlegene Streitmacht ebenso dämlich überlisten lässt wie er selbst. Überdies fehlt beiden Filmen eine Wirkung nach außerhalb. Manchmal scheint es, als wüssten nur Hux und Ren von Snokes Existenz, was nur dann interessant wäre, wenn die Helden als Twist erfahren würden, dass die New Order tatsächlich entgegen der Erwartungen von einem neuen Sith angeführt wird. Sie wissen aber ja von Ren, was alles andere hinfällig macht. Dass Snoke im Morgenmantel abdankt, ohne dass wir je mehr über ihn, seinen Werdegang oder seine Beziehung zu Ren erfahren mag uns forcierte Verbindungen zu den alten Filmen ersparen, endet aber wie die Elternfrage in einem Nichts. In dieser Beziehung trollt Johnson bewusst mit Schadenfreude, denn wenn die Antwort auf jahrelange Fanspekulation Irrelevanz ist, überrascht er damit nicht. Niemand würde das als geniale Lösung sehen, eher als Versagen, Abrams‘ „Ich packe meinen Koffer“ Story fortzuführen. Er nimmt der Figur Relevanz, damit auch den Spekulationen, damit auch dem Faninteresse, den Stoff über seine Laufzeit hinweg zu mögen. Die letzten Jedi wirft eh kaum neue Fragen auf und endet auf einer Note, die einem nicht gerade wissen wollen lässt, wie es dann noch weitergehen mag, aber selbst wenn, scheint Johnson sagen zu wollen, dass man Star Wars „nicht so wichtig nehmen soll“. Was er damit aber sagt ist, dass die Star Wars Magie nicht so wichtig ist. Die seit 1977 heller leuchtet als die vieler anderer Franchises.

Kylo Ren war bislang die interessanteste Figur der neuen Reihe, doch Johnson weiß nicht, was er mit ihm machen soll. Es ist zwar ungemein gelungen, seinen Ursprung durch mehrere Perspektiven mit verschiedenen Lichtern zu beleuchten, aber immer dann, wenn es wirklich spannend wird, hat Die letzten Jedi auch da nichts mehr zu antworten. Es wird angeteast, dass er und Rey sich sexuell zueinander hingezogen führen – es passiert aber nichts. Es wird angeteast, dass Rey sich trotz ihrer Abscheu für Rens Taten seltsamerweise zu ihm hingezogen fühlt – es passiert aber nichts. Es wird außerdem angeteast, dass Ren andere Pläne für die New Order hat, doch am Ende will er doch wieder einfach nur Rebellen jagen und töten. Er und Rey haben sich im Film null weiterentwickelt. Ihr finaler Kampf im Schnee im letzten Film übertrifft den gesamten diesjährigen Titel.

(C) LucasFilm

Was Luke und Leia betrifft, darf man ebenfalls mit dem Kopf schütteln. Leias Man of Steel Flugnummer und sinnloses Überleben (sorry, aber das ist es. Wieso ist die einzige überlebende klassische Figur die mit der einzig verstorbenen Schauspielerin?) führt nirgends hin und sie bleibt so irrelevant, dass man sie komplett aus der Handlung nehmen könnte. Luke mag als grantiger Einsiedler amüsant wirken, aber sein Verlauf will ebenso tonal wie emotional kein Stück funktionieren. Er macht alberne Sachen, soll dann aber gebrochen und tieftraurig sein, er will Rey nicht ausbilden, macht dann aber am Ende den Ultrasuperbadasstrick, nur um dann in Luft zu verpuffen (ausgerechnet vor dem Nostalgieflash zweier Sonnen). Übrigens, Nostalgieflash. Demjenigen, der auf die glorreiche Idee kam, AT-ATs diesmal nicht auf Schnee, aber auf weißem Salz aufmarschieren zu lassen, gehört eine Medaille für besonders faule Dreistigkeit verliehen.

Wirklich unverzeihlich ist allerdings, dass Luke rückwirkend verschwärzt wird. Der legendäre Held der ersten Filme soll nicht der edle Ausbilder gewesen sein, den alle im Kopf hatten, sondern ein wankelmütiger Irrer, der eines Nachts tatsächlich den Sohn seiner Schwester erstechen wollte. Egal wie leid ihm das tun mag, egal was für eine Vision er davor gehabt haben mag, es ist fundamental falsch, dumm und fast beleidigend, so wie wir mit ansehen mussten, wie Dummbatz Bruce Wayne beinahe Superman ermordet hat. Wie kann man das je gutheißen oder grandios finden? Ach ja, ein hervorragender Regisseur hätte das durchaus hinbekommen, eine mitreißende Geschichte über diese zerrissenen Charaktere zu erzählen, deren Seiten man verstehen kann und die man distanziert betrachtet. So wie man mit den kämpfenden Soldaten in Der Soldat James Ryan mitfiebert, die sich gegenseitig im Schutt wühlen und zu erstechen versuchen, die verzweifelt sind, es eigentlich beide nicht wollen aber tun müssen. Aber das hier ist fucking Star Wars und nicht Soldat James Ryan, und es ist im gleichen Film wie furzende Porgs und gedribbelte BB8s. Natürlich lässt sich argumentieren, dass das halt die gewählte Richtung des Autorenregisseurs ist und dass eine andere Ausrichtung fast nur auf „ich hätts lieber anders gehabt“ Wunschdenken zurückzuführen ist, aber die legitime Frage bleibt, mit welchem Gefühl man diesen Film verlässt. Kann man es kaum erwarten, das nächste Kapitel dieser Helden zu sehen? Natürlich ist Lukes Schultermoment sensationelle Popcornunterhaltung, aber reicht das? Der hitzköpfige, mitreißende Poe kriegt die Message, dass man doch auf seine spießigen Vorgesetzten hören sollte, auch wenn die irrational wirken. Ist das spannendes Abenteuerkino?

Ohne noch mehr ins Detail zu gehen, sei noch kurz erwähnt, dass vieles anderes ähnlich schwammig verläuft. Finn will sich waghalsig opfern (indem er durch den Strahl eines Tor schmelzenden Lasers auf selbiges Gerät zufliegt), wird dann aber von seiner Freundin gerettet, die uns erst danach verrät, dass sie überhaupt seine Freundin sein will. Nett, aber wodurch sie das Überleben aller anderen – die letzten verbleibenden Rebellen überhaupt – im Bunker riskiert. Und dann verkauft uns der Film Holdos 11. September Manöver als sensationelle und selbstaufopfernde Rettungsaktion. Dass am Ende nur noch so wenig Rebellen übrig sind, dass sie alle auf den Millennium Falcon passen (!), wird an keiner Stelle als extrem traurige Erkenntnis präsentiert. Man könnte noch mehr schreiben, über Lukes fragwürdige Bartfärbung in der Projektion, Yodas Force Lightning (was nur Siths können) als Machtgeist heraus oder die Tatsache, dass Yoda eben nicht das letzte Jediarchiv mutig und beeindruckend niederfackelt – weil Rey die Bücher insgeheim längst mitgenommen hatte, aber unter dem Strich lässt sich sagen, dass Rian Johnsons Versuch, Star Wars inhaltlich spannend neu aufzumischen, nach hinten losgegangen ist. Der teils wilde Fanhass mag übertrieben sein, kann aber verstanden werden. Es ist gewiss nicht so, als hätte Rian Johnson alle beliebten Qualitäten der Reihe und ihrer Handlung überhaupt würdig fortsetzen wollen – er wollte was anderes. Also bekommt er auch eine andere Reaktion.

Auch handwerklich lässt sich nur maximal Golfapplaus geben, da Altmeister John Williams es zum ersten Mal in 8 Filmen geschafft hat, solide, unauffällige Stockmusik einzuspielen, wie man sie sonst nur in den Games hört, die wenigen Kampfszenen lahm inszeniert sind (besonders der Thronsaalkampf – es gibt Youtube-Fanfilme mit beeindruckenderen Choreografien) und der Film trotz mancher wirklich sehenswerter Szenen zu lang und langatmig ausfällt.

Fazit: In einer Szene des Films sehen Porgs erschrocken zu, wie Chewbacca einen von ihnen grillt und essen will. Im Grunde tut Rian Johnson dasselbe Star Wars Fans an.

Was passiert, wenn man JJ Abrams‘ Star Wars Film offenbar nicht mochte und was möglichst anderes zeigen wollte, nur inkompenteter, witziger und planloser? Rian Johnson schafft, was kaum einer für möglich gehalten hätte: er hat die Star Wars Magie verringert, und das nichtmal, wie es vorher befürchtet worden wäre, durch grenzenlose Marken- und Nostalgieausschlachtung Disneys. Nein. Johnson verhält sich respektlos gegenüber der etablierten Geschichte, gegenüber des direkten Vorgängerfilms und hat selbst an neuen Aspekten, Figuren, Mysterien, Handlungsideen nahezu nichts zu bieten. Der Film mag den größten Badass-Moment des Filmjahres und der ganzen Saga haben, aber auch die dümmste Filmszene des Jahres (noch dümmer als Transformers 5). Das ist ein Film, der Sachen wie Guardians of the Galaxy Vol 2 und Valerian: Die Stadt der tausend Planeten gekonnt auf die billigen Plätze hätte verweisen müssen – kann er aber nicht. Als Debüt der Porgs vielleicht 9/10, als generischer Blockbuster 6/10, als Star Wars Film:

4/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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