BG Kritik: „SHAZAM!“

1. April 2019, Michael Essmann

Der Teenager Billy Batson (Asher Angel) verwandelt sich immer, wenn er „SHAZAM!“ ausruft, in einen muskelbepackten Super-Typen (Zachary Levi) mit Superkräften und Cape. Aber es braucht mehr als nur Magie und magische Worte, um wahrhaft zum Helden zu werden. „Shazam!“, aka der andere „Captain Marvel“ Film 2019.

© Warner Bros. Entertainment

SHAZAM! (US, 2019)
Regie: David F. Sandberg
Cast: Zachary Levi, Asher Angel, Jack Dylan Grazer, Mark Strong, Djimon Hounsou
Kinostart: 04. April 2019

Kritik:
Ja, DCs Superheld „Shazam!“ – und auch ja, immer mit Ausrufezeichen – hieß früher und auch vor Marvels „Captain Marvel“ (aktuell ja auch noch im Kino) lange Zeit „Captain Marvel“, nun aber schon ne Weile „Shazam!“. Tut hier eigentlich nur bedingt was zur Sache, außer, dass der Film selber aus dieser Tatsache einen augenzwinkernden Running-Gag generiert. Und das ist nur einer unter vielen Gags, denn „Shazam!“ ist eine astreine Superhelden Komödie geworden. Und dessen Held ist auch ohne Marvel im Namen eine Art Wunder. Ein kleines zumindest, denn so einen Film zum Thema Superhelden im Jahr 2019 serviert zu bekommen, ließ durchaus verwundert zurück. Positiv verwundert. Ganz und gar klassisch und dann auch mal deutlich gegenteilig aufgestellt, erinnert der klassisch anmutende Part von „Shazam!“ im besten Sinne an Sam Raimis ersten „Spider-Man“ aus dem Jahre 2002. Damals wurde der schüchterne, introvertierte und schmalbrüstige Tobey Maguire über Nacht mit einem mehr als ansehnlichen Paket an u.a. Bauchmuskeln und spinnenmäßigen Superkräften ausgestattet, und war fortan u.a. in der Lage, Netze direkt aus seinen Unterarmen abzuschießen. Letzteres ist immer noch irgendwie ekelig. Aber hier nicht Thema. Gute 17 Jahre nachdem Peter Parker in jenem „Spider-Man“ (als Insider für Comic-Fans) in der Findungsphase seiner Kräfte neben „Supermans“ „auf, auf und davon“ auch den legendären Verwandlungszauber „SHAZAM!“ aussprach, – sowie massenhaft weiterer Comichelden im Kino später – kommt der Held nun persönlich im Kino vorbei.

© Warner Bros. Entertainment

Billy Batson ging vor Jahren auf dem Rummelplatz verloren, und wuchs seitdem in diversen Pflegefamilien auf. Heimat- und rastlos auf der Suche nach seiner verlorenen Mutter, büxt der inzwischen zum Teenager heran gewachsene junge Mann regelmäßig aus. Aktuell im Haus von Rosa und Victor Vasquez und ihren fünf weiteren Pflegekindern untergebracht, plant er bereits seinen Abgang, als ihm ein alter Zauberer einen Strich durch die Rechnung macht. Seit Jahrzehnten auf der Suche nach seinem Champion, verleiht ihm jener „Shazam!“ (Djimon Hounsou, der lustigerweise zuletzt auch in „Captain Marvel“ von Marvel drin war) irgendwie aus der Not und mangels Alternativen die Weisheit des Salomons, die Stärke des Herkules, die Ausdauer des Atlas, die Macht Zeus, den Mut des Achilles und die Geschwindigkeit des Merkur. Bringt aber nichts, denn trotz des Akronyms von einem Namen der göttlichen Helden der Antike, bleibt Billy im Herzen ganz Teenager. Und so besteht seine erste Heldentat in der nun erwachsenen Körperlichkeit erstmal im Besorgen von Bier für sich und seinen Pflegebruder und Kumpel Freddy. Der vom aus „Es“ bekannten Jack Dylan gespielte Freddy dient hier als Verbindung für Billy mit der ihm völlig unbekannten Welt der Superhelden. Und nicht nur das, er klaut auch Szene auf Szene. Völlig egal ob er gerade mit Billy oder der XXL-Version im roten Spandex die Leinwand teilt. Da angesiedelt im aktuellen Filmuniversum von DC sind dessen Superhelden wie „Superman“, „Wonder Woman“, „Batman“ oder „Aquaman“ für die Bewohner der Welt nicht nur Teil der Popkultur, sondern eben des Alltags. Wenn auch eher wie ein Brad Pitt für uns. Man kennt ihn im Sinne von weiß, es gibt ihn irgendwo da draußen. Und Freddy ist ein Super-Nerd unter den Superhelden-Nerds, der seinem neuen Bruder unter die nun muskelbepackten Arme greift, um mit ihm die in ihm schlummernden Grenzen und Ausmaße seiner Fähigkeiten zu ergründen. Flug- und auch spontane Schusssicherheits-Tests sind die Folge, gerne festgehalten und geteilt über die gängigen Social-Media-Kanäle. Hier mischt der Film sehr stimmig Superhelden und Alltag von nicht nur Jugendlichen und wirkt damit schön greifbar fürs sichtliche Ziel-Publikum – aber auch innerlich jung gebliebene Erwachsene werden hier sicherlich gut was zu lachen haben. Und das macht der Film fast ganz und gar phantastisch, denn er hat begriffen, dass Superhelden und ihre Kräfte vor allem aus den Sehnsüchten und Wunscherfüllungsphantasien einsamer Jugendlicher geschaffen und entstanden sind, und dass es umso mehr Spaß und Sinn macht, dieses Paket auch mal in den Mittelpunkt zu stellen. Man muss ja nicht immer düster und erwachsen sein.

© Warner Bros. Entertainment

Die kleinen und auch die zumindest äußerlich großen Kinder rocken. Alle. Eine der größten Stärken von „Shazam!“, die auch und vor allem durch das Spiel von Zachary Levi als „Shazam!“ überhaupt erst möglich scheint. Wer Levi noch aus der zwischen 2007 und 2012 laufenden US-Serie „Chuck“ kennt, weiß wie viel Kind in dem Mann steckt. Und er scheint seitdem innerlich keinen Tag gealtert. So schafft er es, Asher Angels gelungene Darstellung des Billy zu übernehmen – und selbst durch eine zentimeterdicke Schicht aus Schaumstoff, Latex und echten Muskeln auf der Leinwand wirken zu lassen. So wirken sie größtenteils tatsächlich wie zwei Versionen eines Charakters, und nicht wie zwei Charaktere, von denen der Erwachsene ein knallrotes Kostüm trägt, an dem auch noch ein halbes Cape herunterbaumelt, welches früher auch mal Omas Beistelltisch-Tischtuch mit der Goldkante gewesen sein könnte. Ja, dieser „Captain Marvel“ sieht schon ein bisschen alberner aus, als viele seiner Realfilm Kollegen. Dafür ist es eine erstklassig akkurate Transformation vom Comic zum Film, die auch sehr gut zum eher lockeren und etwas weniger ernsten Ton des Filmes passt. Die Sache mit der strikten Ernsthaftigkeit aufzugeben, hat sich bereits bei „Aquaman“ bezahlt gemacht. Mit „Shazam!“ serviert man nun gar eine reinrassige Superhelden-Comedy. In der ersten Szene noch einmal extrem den von Zack Snyder („Man of Steel“, „Batman v Superman: Dawn of Justice“) und dem von ihm vorgegebenen, düsternen Ton in Stimmung als auch Farbgebung durch- und nacherlebend, entledigt sich der Film – und vielleicht damit auch das DC EU – nun dieser Zeiten und ist u.a. bunt, lustig, frech und verrückt.

Etwas gefühlt so einfaches, wie den richtigen Ton für jeden Charakter zu finden, scheint nun endlich geglückt und im Hause Warner Bros. angekommen. Denn einen „Shazam!“ in nicht lustig, und dafür deprimiert und ernst, wäre kaum so unterhaltsam wie das jetzige Paket. Irgendwie schwer greifbar wie eine FSK-12 Version von „Deadpool“, nur ohne das andauernde Fluchen und nicht so extrem auf einer Meta-Ebene. Aber ganz klar eben auch und mit Momenten die eindeutig eher selbstironisch, Parodie und Zwinkern, denn völlig ernst gemeint, sich selbst und seine Kollegen da draußen auch gerne mal durch den sprichwörtlichen Kakao zieht, und dabei angenehm klein. Wer des finalen CGI-Overkills anderer aktueller Comic-Filme überdrüssig oder zumindest einer Alternative nicht abgeneigt ist, der dürfte hier richtig liegen. Hier stürzen nicht 63 Wolkenkratzer in Serie ein, kein Mond wird vom Himmel gerissen, und es gibt auch keine fette Alien-Invasion. Mit einem für Comicfilme nahezu Mini-Budget von 80 bis 90 Millionen Dollar – selbst der schon günstige „Wonder Woman“ war deutlich teurer – war mehr aber wohl auch nicht drin. Riesiges Spektakel sucht man hier aber eben dadurch auch vergebens. Nur die DC typischen Blitze, ja, die hat der Film natürlich. Aber das muss ja. „Shazam!“ eben. Dass Regisseur David F. Sandberg mit „Lights Out“ und „Annabelle 2“ bisher vordergründig Horror gemacht hat, lässt sich aber ebenfalls deutlich erkennen, und zwar an Szenen, wie sie „Venom“ gerne gehabt hätte. Wie Köpfe abbeißen unter jugendlicher Freigabe sehr viel besser funktioniert, wird hier gezeigt. Mit Biss und knackig im nachklang. Nicht so kraftvoll wie beim Zubeißen, zeigt sich das Werk musikalisch, denn wie bei Regisseur Sandberg üblich, wurde die Musik von seinem Stammkomponist Benjamin Wallfisch beigesteuert. Funktional, antreibend, aber wenig nachhaltig. Drei Tage nach dem Film bereits gänzlich verblasst. Nicht mies oder dem Filmgenuss abträglich, aber eben auch gefühlt unendlich weit weg von den eingängigen und eben hängenbleibenden Helden-Themen und Musikstücken zu „Superman“ – egal ob Williams oder Zimmer – oder „Batman“ – auch hier egal ob Zimmer oder früher eben Elfman.

© Warner Bros. Entertainment

Hat man Spaß, vergeht die Zeit ja bekanntlich wie im Fluge, was auch auf den aktuellen DC-Streifen zutrifft. Die ein bisschen über zwei Stunden Laufzeit wurden gut gefüllt, ein paar wenige Längen sind aber dennoch drin. Fans werden für die Geduld allerdings mit einem relativ sicheren Dauergrinsen im letzten Akt belohnt, während völlige Neulinge vermutlich ein kleines bisschen verwirrt dreinblicken werden. Nicht, dass es unlogisch oder nicht nachvollziehbar wäre. Das ganz und gar nicht. Man rechnet damit was kommt, nur recht sicher nicht im Debütfilm eines Helden. Der Held entdeckt in „Shazam!“ eben seine Kräfte und muss seine Reise zum in ihm schlummernden Helden abschließen. Hier gibt es aber eben später tatsächlich noch etwas mehr als gängig oder erwartet. Details im Kino. Aber natürlich steht die Wandlung vom Teen Billy zum Helden „Shazam!“ im Fokus. Was fehlt einem Helden in seinem Debüt dafür also?  Natürlich ein Schurke. Und der ist… da!? Schwach wäre vielleicht etwas hart, aber stark ist er eben abseits seiner körperlichen Kräfte auf der Leinwand eben auch nicht. Kein Desaster wie die tanzende Cara Delevingne in „Suicide Squad“, eher so der ok und Standart-Bösewicht für den Debütfilm eines DC-Helden des DC EU.  So ähnlich wenig nachhaltig wie Ares in „Wonder Woman“ ist hier Dr. Thaddeus Sivana. Gespielt Mark Strong, macht dieser daraus, was der Film ihm anbietet. Nur ist das eben nicht so viel. Paar Szenen als Kraft-Demo, bisschen was erzählen, was ihn so motiviert, dann Terror unter der Bevölkerung verbreiten. Nichts Denkwürdiges, aber dem Helden was zum dagegen hauen und dran wachsen bietend, und gut ist. Jemand, der den muskelbepackten Peter Pan im knallroten Spandex herausfordert eben. Für danach, da gilt es wie üblich sitzen zu bleiben. Denn natürlich folgt eine Szene für ein potenzielles Sequel im Abspann.

Kurz und knapp:
„Wonder Woman“ war herrlich heroisch, „Aquaman“ war bildgewaltig und cheesy (auf eine gute Art) und nun, ja, da darf „Shazam!“ zugleich eine käsige Superhelden-Comedy und eine herrlich klassische, fast altmodische Comic-Verfilmung – die trotzdem den Finger am Social-Media Puls der Zeit hat – so in der Nähe des ersten „Spider-Mans“ sein. Hier steht das Kennenlernen der Kräfte lange im Fokus, und die Familie und nahestehende Menschen sind nicht nur schmückendes Beiwerk. Kleiner, günstiger aber deshalb nicht schlechter.

7,5/10

Autor: Michael Essmann

Ein B-Movie Freund, der seit einigen Jahren in Köln heimisch ist und dort erfolgreich Design studiert hat. Seitdem schiebt er u.a. Pixel hin und her.

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