BG Kritik: „Rate Your Date“

10. März 2019, Daniel Schinzig

Teresa trifft sich gerne mit Männern, hat auch mal mehrere Dates pro Woche. Ihre Freundin Patricia befindet sich als alleinerziehende Mutter in einer ganz anderen Lebenssituation und träumt von der großen Liebe. Anton wiederum ist so gar nicht erfahren in Liebesangelegenheiten und von den Bedürfnissen seiner aktuellen Freundin, die gerne auch andere Typen daten möchte, überfordert. Alle drei eint, dass sie sich eine Revolution in der Welt der romantischen Verabredungen wünschen. Und da kommt ihnen die Idee: Eine ganz besondere Dating-App, die sich dadurch auszeichnet, dass die Nutzer von anderen Nutzern in Kategorien eingeordnet werden können. Gemeinsam mit dem verwöhnten Banker-Sohn Paul macht sich das Trio an die Entwicklung der Software und löst damit einen riesigen Boom aus.

Vier Freunde steigen ins Dating-App-Geschäft ein. Das verläuft nicht ganz so wie erhofft.

© 20th Century Fox

Rate Your Date (D 2019)
Regie: David Dietl
Cast: Nilam Farooq, Alicia von Rittberg, Edin Hasanovic, Marc Benjamin

Kritik:
Diese Kritik startet mit einer Beichte: Ich fühle mich schuldig, weil ich das Gefühl habe, euch bereits mit der Inhaltsangabe Lügen aufgetischt zu haben. Dabei erzähle ich in den einleitenden Zeilen eigentlich nichts falsches. Vier Freunde entwickeln eine neuartige App, die den Dating-Markt mächtig aufwirbelt. Soweit korrekt. Aber je länger ich „Rate Your Date“ im Kopf noch einmal durchgehe, desto mehr drängt sich die Frage auf: Ist es wirklich das, was ich auf der Leinwand gesehen habe? Ging es wirklich um eine App, in der die Nutzer von ihren Dates mit einem Hashtag versehen und in Schubladen eingeordnet werden, damit kommende Interessenten auf einen Blick sehen, was sie von Frau X und Mann Y zu erwarten haben? Ging es wirklich um die perversen Auswüchse unseres heutigen Social-Media-Parallel-Lebens? Um unsere Sehnsucht, auch in unserem Liebesleben alles einfachhalten und etikettieren zu wollen? Um ein Programm mit dem Versprechen „Make Love great again“? Um die Gefahren, die so etwas nach sich ziehen kann?

Denn das alles streift die Komödie von Regisseur David Dietl in gewisser Weise. Doch zu diesen Themen hat der Sohn von Regiegröße Helmut Dietl erschreckend wenig zu sagen. Was wir unter dem Deckmantel der Dating-App-Story eigentlich angeklickt haben, ist nichts weiter als eine etwas hochwertigere, spielfilmlange Folge von „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“, in bunteren Bildern und mit krasserer Tiefenschärfe eingefangen. Berlin sieht gut aus, wie eine Stadt, an der man an jeder Ecke hochsommerliche Hipster-Partys feiern und überall seine große Liebe – oder zumindest neue Bettgeschichte – finden kann. Also wie eine Stadt, deren Einwohner egentlich gar keine neue Dating-App nötig haben, um ihr kurzzeitiges oder längerfristiges Glück zu finden.

Der goldene Mester für den stilvollsten Bademantelträger und Latte-Macchiato-Schlürfer geht an Edin Hasanovic.

Der goldene Mester für den stilvollsten Bademantelträger und Latte-Schlürfer geht an Edin Hasanovic.

© 20th Century Fox

Und doch: Frustriert von zu vielen miesen Dates beschließen die Protagonisten, die App an den Start zu bringen. Und die ist nur wenige Schnitte später das neue Phönomen schlechthin. Ohne dem Zuschauer das groß näher zu bringen, wächst die RateYourDate-App zu einem riesigen Erfolg an, die das Leben der überwiegend jungen Berliner Bevölkerung gehörig auf den Kopf stellt. Spätestens jetzt bricht die Dramaturgie der Komödie zusammen wie die Gefühle bindungsängstlicher Großstadtneurotiker bei der Aussicht auf eine feste Beziehung. Denn nun rächt sich, dass kein Charakter eingeführt wurde, der die App nutzt; Nahe stehen wir nur den vier Erfindern bzw. Entwicklern. Stattdessen werden uns in kurzen Clips anhand von nicht oder kaum eingeleiteten Charakteren schlaglichtartige Mini-Momentaufnahmen geboten, die ein Gefühl dafür erzeugen sollen, welch gesellschaftlich relevanten Einfluss die neue Smartphone-Anwendung hat. Aber eigentlich fühlen sich diese Einschübe an wie kurze Werbeeinblendungen, die den nicht vorhandenen Flow der wirklichen Geschichte stören.

Besonders ärgerlich wird das im letzten Drittel von „Rate Your Date“, wenn auf einmal eine kritische Haltung gegenüber der neuen Technik zu spüren ist. Auf der einen Seite kommt hier der filmische Holzhammer in seiner gröbstmöglich geschnitzten Art zum Einsatz, auf der anderen Seite wird die Problematik so schnell und beiläufig abgehakt, dass der an der hintergründigen Thematik interessierte Zuschauer nur noch ungläubig den Kopf schütteln kann. Hier fehlte bei den Filmemachern entweder jedes Gespür für das durchaus vorhandene Potenzial der Geschichte oder aber schlicht jedes Interesse für die ausgedachte Grundidee. Was am Ende bei rumkam: Ein Film über eine Dating-App, in dem es kaum um diese Dating-App geht. Wäre es nicht so langweilig, wäre es fast schon kurios.

Anke Engelke ist als Teresas Mutter dabei. Viel zu tun hat sie aber nicht…

© 20th Century Fox

Aber um was geht es denn stattdessen? Um die alltägliche Soap im Leben uninteressanter bis überzeichneter Nicht-Charaktere: Die Eine verliebt sich in den Anderen, der aber doch eigentlich noch in einer Beziehung steckt. Der Verwöhnte muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, die Lebensfreudige muss sich mit der eigenen familiären Geschichte befassen. „Rate Your Date“ bietet gut aufgelegte Hauptdarsteller, die aber nicht gegen ein viel zu plattes Drehbuch ankommen können. Es gibt mal komische, mal unkomische Sprüche. Es gibt Szenen, deren augenscheinliche Situationskomik nur im Ansatz genutzt wird. Es gibt kleine, kaum ins Gewicht fallende optische Spielereien wie im Bild eingeblendete Hashtag-Kennzeichnungen der App-Nutzer. Vor allem gibt es aber jede Menge Langeweile für all jene Zuschauer, die von einem Kinoabend mehr verlangen als die allerseichteste Art der Unterhaltung.

Kurz und knapp:
Rate your Movie: #langweilig #belanglos #verschwendetesPotenzial #AmThemavorbei #GutaufgelegteDarstellerhabenkeineChance #zuseichtwirktwieausgebleicht

3/10

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