BG Kritik: „Avengers 2: Age of Ultron“

15. April 2015, Christian Mester

Die Avengers sind zurück und schaffen sich dieses Mal einen ganz eigenen Konflikt. Aus einer Basis von Hydra bergen Stark und Banner ein Überbleibsel der außerirdischen Technologie von Lokis Armee aus dem ersten Teil, aus dem die zwei eine revolutionäre künstliche Intelligenz basteln. Die Idee dahinter: diese neue Superversion von JARVIS soll in Zukunft eine weltweite Legion von Iron Man Anzügen steuern, die die Erde vor allen Gefahren von außerhalb schützt. Problematisch ist nur, dass das System namens Ultron ein eigenes Bewusstsein entwickelt und als solches auf die Idee kommt, die Menschheit auszulöschen.

(C) Marvel Studios

Avengers: Age of Ultron (USA 2015)
Regisseur: Joss Whedon
Cast: Robert Downey Jr, James Spader, Scarlett Johansson, Chris Hemsworth, Chris Evans

Kritik:
Zugegeben, ein Irrer mit Weltvernichtungsplänen und eine seelenlose Armada zu besiegender Roboter ist ein eher fauler Ansatz für einen Heldenfilm. Das funktioniert und sorgt für jede Menge unvermeidbarer Actionszenen, doch die grundlegende Handlung fühlt sich mehr denn je rein zweckdienlich an. Das war der Aufhänger im ersten Film zwar auch, aber die Geschichte drehte sich zusätzlich zum Großteil darum, wie die einzelnen Avengers überhaupt zu Verbündeten werden. Der zweite hat diesen Aspekt aber nicht mehr, wodurch die Interaktionen zwischen den Avengers automatisch größere Bedeutung bekommen müssten. Tun sie, und zum Teil gelingt das.

Black Widow und Hulk haben dieses Mal eine zärtliche Romanze, die sogar überraschend gut funktioniert. Sie als ehemalige Attentäterin sieht sich ebenso als Monster wie er, während er den Nutzen des Hulks als Waffe gegen das Böse zwar versteht, aber immer auch Angst hat, dass er in seiner grünen Form Unschuldigen was antun könnte. Eine Angst, die im Film verwirklicht wird, als der Hulk von der Zauberin Scarlet Witch verhext wird und in einer Großstadt Amok läuft. Diese Szene allein ist beispielhaft für die Unterhaltungsstärke des Films, sie zeigt aber auch auf, dass es noch mehr hätte sein können. Nachdem sich Thor im ersten Film mit dem Hulk anlegen durfte, ist es dieses Mal Iron Man. Ihr Kampf ist sehr unterhaltsam inszeniert und überdies sogar noch mit einem Kommentar versehen, denn Iron Man setzt sich im Gegensatz zu Superman in Man of Steel maßgeblich dafür ein, dass möglichst keine Zivilisten zu Schaden kommen. Die Message ist klar: ja, die Action soll cool sein und die Helden dürfen das Böse mächtig verdreschen, doch als Helden ist das Retten anderer einfach höchste Priorität, also können sie nicht unbedacht überall hinschießen und jedes Gebäude plätten.

(c) Marvel Studios

Andererseits verfehlt es Whedon, das Drama der Szene emotional zu nutzen. Für Banner ist es der GAU, die Erfüllung seiner schlimmsten Befürchtungen. Für Stark müsste es ein ähnlich schlimmes Problem sein, denn als von der Öffentlichkeit empfundener Anführer der Avengers steht der Hulk in seiner Verantwortung, und was auf dessen Kappe geht, geht auch auf seine. Da kann er die Erde noch so selbstlos gerettet haben: wenn der Grüne Amok läuft und dabei hunderte Menschen umbringt, kratzt das am Heldenstatus. Stärker noch strauchelt Stark als Charakter. Der Film erklärt zu Anfang sehr passend, was ihn zur Schaffung Ultrons bewegt, doch anschließend gibt es keine interessanten Auseinandersetzungen mehr. Er sieht nie ein, dass er falsch gehandelt hat und ist für den Rest des Films bloß der Sprüche klopfende Iron Man. Besser ergeht es Hawkeye, der endlich mehr Szenen bekommt und sogar eine der wichtigsten Rollen des Films einnimmt. Er ist es zwar nicht, der den Tag rettet, aber sein Mut, auch ohne Kräfte oder Sci-Fi-Hightech gegen Ultrons riesige Armee anzutreten, ist mitreißend und bewahrt das Team davor, langweilig unbesiegbar zu wirken. Captain America ist omnipräsent und fällt in allen Actionszenen auf, bekommt aber selbst kaum was zu sagen. Thor hingegen kommt sogar noch kürzer.

Der Film stellt fünf relevante neue Figuren vor. Waffenhändler Ulysses Klaw zeigt sich kurz, bevor er sich im kommenden Black Panther Film als dessen Erzfeind offenbart. Bösewicht Ultron hat nichts wirklich Außerirdisches an sich, ist aber dennoch eine sehr sonderbare Figur. Er hält sich für außerordentlich clever, doch er ist es nicht. Er spielt mit dem Gedanken, zu einer organischen Lebensform zu werden, doch mit den damit verbundenen Bedeutungen und Implikationen hält sich der Film leider nicht auf. Immer wieder wirkt Ultron wie ein trotziger Jugendlicher, der die Welt nur vernichten will, um Schöpfer Stark eins auszuwischen. Das ist amüsant, stärker sogar noch im O-Ton, wenn James Spader Ultron spricht, doch obwohl seine unreif wirkenden Reaktionen mehr aus ihm machen als eine typische reine simple Bedrohung, wie es beispielsweise die Gegner in Thor 2 und Guardians of the Galaxy waren, wirkt er in seiner Form als Bedrohung kaum. Er mag kurz davor stehen, die Weltbevölkerung komplett auszuradieren, doch Ehrfurcht kann man vor seinem Gehabe nicht haben. Hinzu kommt, dass er trotz 3 Meter Körpergröße und Vibranium-Panzerung kein bemerkenswerter Kämpfer ist.

(c) Marvel Studios

Eindrucksvoller sind da schon die Zwillinge Scarlet Witch und Quicksilver. Sie kann Telekinese, Kraftfelder, Gedanken lesen und Geistesmanipulation, er hingegen ist superschnell (und übrigens tatsächlich die gleiche Figur wie aus X-Men: Zukunft ist Vergangenheit. Wegen eines Rechtewirrwars dürfen Marvel und Fox unterschiedliche Interpretationen nutzen). Ein sympathisches Duo, dessen Kräfte unterhaltsam eingesetzt werden und die eine interessante Wandlung durchlaufen. Zu guter letzt wäre da noch Vision, ein neu geschaffenes Superwesen. Gespielt von Paul Bettany, ist die seltsame Mischung aus Mensch und Android den Avengers überlegen und zeigt schon mal auf, welche kosmischen Größen noch so da draußen warten.

Fazit:
Whedon mag gewisse dramaturgische Momente nicht völlig ausschöpfen, und auch die Vorbereitung zum kommenden Civil War sind schwächer als sie sein könnten, das heißt aber lange nicht, dass Whedon hier einen schlechten Job gemacht hätte. Wieder einmal ist es überaus lustig, die vielen Helden miteinander agieren zu sehen. Die Action überzeugt weitestgehend, der Soundtrack treibt gut vorran und trotz einer Lauflänge von zweieinhalb Stunden vergeht die Zeit wie im Fluge. Avengers 2 mag kein so guter Film wie sein Vorgänger sein, ist aber gleichermaßen ein guter neuer Eintrag ins Marvel Cinematic Universe wie auch ein vorbildlicher Familien-Sommerblockbuster, der simpel und actionorientiert daher kommt, ohne je sexistisch, gewaltverherrlichend oder geschmacklos werden zu müssen.

6/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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