BG Kritik: „A World Beyond“
Tomorrowland (US 2015)
Regisseur: Brad Bird
Cast: Britt Robertson, George Clooney, Hugh Laurie
Story: Als die junge NASA-Ingenieurstochter Casey eine seltsame Anstecknadel findet, trifft sie der Schlag. Bei jeder Berührung der Nadel kann sie plötzlich eine fremde Welt sehen: Tomorrowland, das sich in einer anderen Dimension befindet und eine Hochburg für menschliche Wissenschaftler und Erfinder ist. Voller Neugier gerät sie in ein unglaubliches Abenteuer…
Ein Kinderfilm gegen Zynismus.
Beyonder als Batman Beyond oder Beyond Thunderdome
Wann gibt es jemals Blockbuster mit gänzlich neuen Geschichten zu sehen, losgelöst von jeglichen Marken oder Vorlagen? Jupiter Ascending war zuletzt ein solcher, schmierte aber sang- und klanglos an den Kinokassen ab. Was zum Teil leider gerechtfertigt schien, da der optisch umwerfende Film der Matrix-Geschwister inhaltlich nicht viel zu bieten hatte und insbesondere gegen den letztjährigen gigantischen Space-Opera-Spaß Guardians of the Galaxy arg spießig und gewollt ernst daherkam. A World Beyond versucht sich im Blockbustersommer 2015 mit relativ kurzen Beinen gegen etablierte Größen wie Terminator, Jurassic Park oder die Minions zu behaupten, und wenn man auf Spaß aus ist, ist’s immer schlecht, wenn zuvor bereits Avengers 2, Furious 7 und Mad Max 4 liefen – und dermaßen lieferten.
Das wichtigste, was man über Tomorrowland wissen sollte: es ist ein Kinderfilm. Jetzt zwar keine Kleinkindbespaßung, aber was Brad Bird und Drehbuchautor Damon Lindelof hier zusammen entwickelt haben, ist ein Film, der sich primär an Kinder und junge Jugendliche richtet. An kleine Optimisten, die noch zu träumen wissen, die Zynismus noch nicht mit dem Kaffee trinken und für die ein Raumschiff noch etwas fantastisches ist und nicht bloß ein raketenbetriebener Bus voller langweiliger Space-Handwerker. A World Beyond bricht eine raumschiffgroße Lanze für unbeliebte Filmthemen wie Hoffnung, Freude und kindlichen Spaß, womit er einen signifikanten Gegenpol zur Tendenz „grimdark“, also zu möglichst cool-düsteren Filmen wie Man of Steel einnimmt.
Dennoch kann man auch als Erwachsener jede Menge Unterhaltsames im Tomorrowland finden. So sind die Hauptfiguren beispielsweise alle sehr charismatisch und gut gespielt. Einer ist der graumelierte Superstar George Clooney, der als grantiger Erfinder laufend meckern darf, die anderen zwei sind bislang unbekannte junge Schauspielerinnen namens Britt Robertson und Raffey Cassidy, die beide sehr gut sind. Robertson spielt die Protagonistin, die eine wissbegierige, technikaffine Jugendliche ist, die das schwindene allgemeine Interesse an Pioniersarbeit wie Raumfahrt mit Kummer sieht. Die Story wirft sie und ein von Cassidy gespieltes mysteriöses Kind dann rasch in eine große Verfolgungsjagd, die an Han Solo und Paris vorbei bis ins Tomorrowland führt. Jeder Ort ist ein frischer, und bei jedem wartet eine neue einfallsreiche Actionsequenz. Bird legt zwar keinen Wert auf besonders coole oder spektakuläre Action, belebt seinen Film aber mit kontinuierlich interessanten kleineren bis mittelgroßen Einlagen, bei denen Laserwummen, Mechs, Androiden und fliegende Badewannen zum Einsatz kommen.
Clooney ist weitaus besser als in Spy Kids 3
Langweilig wird’s also nicht, und schön ist auch, dass die Handlung kaum vorhersehbar ist. Sie ist allerding sehr simpel, und ihre Geheimnisse werden recht platt in langen Erklär-Monologen offenbart. Da steht zwar in der Tat Lindelof dran, aber im Gegensatz zu Lost und Prometheus braucht er hier keine Schelte einzustecken. Was die zwei sich als Motivation der Bösewichte einfallen lassen haben, ist sogar mutig, interessant, passend zum Film, funktioniert aber auch nur in einer kindlichen Abenteuergeschichte wie dieser.
Technisch gibt es kaum was zu mosern. Der Film, der überraschenderweise nicht in 3D aufgeführt wird, hat viele gute Effekte, ist sehr angenehm geschnitten und übersichtlich eingefangen. Zu Beginn gelingt Bird ein kräftiger „sense of wonder“ wie man ihn zuletzt bei JJ Abrams Super 8 erleben durfte. Michael Giacchino – auch mal von Lost – liefert einen tauglichen, aber nicht weiter auffälligen Score ab, der das Geschehen unterstützt, es aber eigentlich auch noch viel höher hätte tragen können. In Birds grenzgenialer Filmografie (Der Gigant aus dem All, The Incredibles, Ratatouille, Mission Impossible 4) ist A World Beyond fraglos der schwächste Beitrag, und auch der erste, der sich nicht für wirklich jeden eignet. Wie gesagt sollte man eine gewisse Affinität für kindliche Vorstellungen mit sich bringen, denn es ist kein Film speziell für Erwachsene. Intention und Message des Films ist nett, aber vor allem Der Gigant aus dem All vermochte es soviel besser aus einer einfachen Prämisse etwas Bewegendes, Bedeutsameres zu schaffen.
Ach ja, und vonwegen originell? Schön wärs, aber selbst dieser basiert auf etwas – auf einem Themengebiet im Disneyland, in dem unter anderem der 3D Film Captain Eo mit Michael Jackson gezeigt wurde (den ich als Kind sogar vor Ort gesehen habe und für gut befand). Letztendlich ist es natürlich dennoch eine komplett neue Geschichte, genau wie Pirates of the Caribbean und Haunted Mansion lediglich die gröbsten Themen des Freizeitparks als Vorlage nahmen. Am Ende erreicht er den Spaß der Piraten nicht, bleibt aber merklich über Eddie Murphys Spukschrott.
Fazit:
Achtung, nicht für jeden. Birds neuester ist ein kleiner Ausreißer und ein Film für Kinder oder, wenn noch vorhanden, das Kind in einem selbst. Die viele Action muss man unter diesem Gesichtspunkt sehen, sonst wird man enttäuscht und fühlt sich inmitten der relativ einfachen Handlung mit He-Man / Captain Planet Weltverbesserungs-Message am Ende etwas fehl am Platz. Ein unterhaltsamer Film, aber leicht und nahrhaft wie Kirmes-Zuckerwatte und womöglich ebenso schnell wieder vergessen.
6 / 10
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