BG Kritik: „96 Hours – Taken 3“

14. Juli 2014, Christian Mester

TAK3N (2014)
Regie: Olivier Megaton
Cast: Liam Neeson, Famke Janssen, Maggie Grace, Dougray Scott

Story:
Dieses Mal wird eigentlich keiner mehr entführt (taken!), nachdem es in den ersten beiden Teilen erst Tochterle, dann Daddy selbst erwischt hat. Eines Tages findet Bryan Mills (Liam Neeson) stattdessen seine Ehefrau ermordet vor – und die eifrige Polizei direkt vor der Haustür, die ihn wegen der naheliegenden Nähe zum Mordopfer für den Mordtäter hält. Mills krempelt jedoch die Ärmel hoch, watscht den Jungs eine und will den Fall auf jeden Fall auf eigene Art lösen…

Kritik (beinhält große Spoiler!):
Ach herje. Als Taken 1 zum Überraschungserfolg wurde und man Neeson auf etwaige Sequels ansprach, schüttelte der damals nur lachend mit dem Kopf. Wen solle man denn dann noch taken, die Schwägerin? Den Onkel in spe? Der tatsächliche, in der Türkei spielende zweite Teil war dann handlungsintern fraglos recht artifiziell konstruiert, redete sich aber immerhin damit heraus, die Rache der vielen im ersten Teil erledigten Menschenhändler darzustellen.

Teil 3 nun? Wo soll man bloß anfangen. Definitiv muss ein entscheidender Twist des Films in dieser Kritik verraten werden, da er absolut hanebüchen ist und die Überflüssigkeit dieses Trilogieepilogs im Fünften beschleunigt. Es stellt sich also heraus, dass der bislang weinerliche, weiche neue Freund von Bryan Mills‘ Exfrau – bis dato von Xander Berkeley besetzt, plötzlich durch den sixpacklastigeren Mission Impossible 2 Bösewicht Dougray Scott ersetzt – Schulden bei einer russischen Mafia hatte und er ihnen zum Ausgleich Mills Identität und Aufenthaltsort verriet. Das darf Mills durch Recherche und Beobachtung herausfinden, während ihm LAPD Polizeikommissar Forest Whitaker (in einer einsilbigen Rolle weit unterhalb der Würde des großartigen Darstellers) mit seinem Hängeauge hilflos hinterheräugt.

Platte Handlung, aber da schon Death Wish 2-5 nicht viel einfallsreicher waren, hätte das dem Konzept noch längst nicht das Genick gebrochen. Das übernimmt Regisseur Olivier Megaton.

Megatons Übernahme bedeutete schon im zweiten Teil eine klägliche Unterhaltungsminderung, da der Mann zwar gern Action drehen mag, dafür aber kein gutes Auge hat. Obgleich das Sequel an sich noch recht annehmbar war, fiel merklich auf, dass Megaton Neeson und den Choreografen weniger vertraute, vehementer auf schnelle Schnitte und Doubles setzte. Vielleicht hatte er bei Taken 2 noch keine völlige Entscheidungsfreiheit, doch bei Teil 3 ging es ihm mit dem Schnittprogramm durch. Kollege Daniel Schinzig wies daraufhin, dass schon das Eingießen eines simplen Wasserglases zum transformershaften Cutstakkato verkommt, und so hält er es mit dem gesamten Rest des Films. Neeson noch weniger zutrauend, ist jede Actionsequenz völlig schnittzerstückelt und somit amateurhaft geraten, und obwohl alle Filme die gleiche Altersfreigabe erhielten, wirkt das (vorläufige) Ende der Reihe wesentlich gehemmter. Lief Charles Bronson in zunehmenden Death Wish Teilen sogar mit einem Raketenwerfer herum, drückt man Neeson stattdessen gefühlt Nerfguns in die Hände (mit extraweichen Schaumstoffgeschossen). Und das, obwohl der Mann hier seine Exehefrau verliert, mit der er schon seit zwei Teilen so langsam wieder auf Annäherungskurs war.

Als Vorzeigedad schießt Mills sogar einmal gehörig daneben, als er seiner schwangeren Tochter Kim Drogen untermischt, damit er sie heimlich auf der Toilette treffen kann. Der Film ist voller solcher strunzdämlicher Momente, und insbesondere Whitakers Polizeitruppe darf sich in einer Tour extra unfähig anstellen, um Mills somit groß aussehen zu lassen, anstatt dass man sich für ihn besonders gewiefte Tricks einfallen ließ, wie er alle überlistet. Im ersten Teil drohte er schließlich noch damit, dass er über gefährliche Talente und Erfahrungen verfügt – nach diesem Teil müsste er allerdings eher argumentieren, dass er über Drehbuchmagie und eine hilfreiche Blödheitsaura verfügt, die jeden Gegner im Umfeld praktisch verdummen lässt. Schade, dass sie nicht bis jenseits des Fernsehers reicht.

Dougray Scott, der übrigens die Erstbesetzung für X-Men’s Wolverine war, wegen Termingründen aber an Hugh Jackman abgeben musste und seither in Schrott wie Perfect Creature verschwunden ist, kann indes nichts dafür, dass er hier Xander Berkeley ersetzte. Wenn man schon auf eine bereits eingeführte Figur zurückgreift, ist es halt behämmert, sie zum Twist hin neu zu besetzen, zumal es eine eben vermeintlich harmlose schien, aber auch wenn er Neeson körperlich sicherlich ein wenig ebenbürtiger sein mag als Berkeley, gibt es die Rolle weiterhin gar nicht erst her. Er bleibt der gleiche weinerliche Waschlappen, also war die Umbesetzung vollkommen sinnlos. Was Maggie Grace betrifft, wusste man offensichtlich nichts mehr mit ihr anzufangen, also wird sie ebenso überkonstruiert integriert wie Kiefer Sutherlands Serientochter Kim aus 24 in dessen späteren Staffeln. Zu guter Letzt traut sich Taken 3 endlich, das schon im ersten Film angesprochene alte Expertenteam Mills mit auf einen Auftrag einzuladen. Umso enttäuschender, dass sie trotzdem quasi kaum vorkommen und es zu keinem merklichen Team Mills Einsatz kommt.

Vielleicht hatte Liam Neeson eigentlich keine Lust und trat am Set wie B-Actionmovie-Diva Steven Seagal auf, der sich mittlerweile (angeblich) liebend gern doublen lässt, keinen Deut auf Drehbücher gibt und mit seinem Foto für das Blu-ray Cover jeweils vermeintlich genug getan hat. Das würde wenigstens verständlich erklären, wieso Taken 3 fast wie ein Disaster wirkt, dessen Discoschnitt noch positiv vertuscht, wie viel schlechter die Aufnahmen eigentlich waren.

Fazit:
Es gibt eine Taken Prequel Fernsehserie ohne Liam Neeson, und egal wie schlecht die sein mag, sie kann wohl kaum schlechter als dieser lieblos runtergedrehte dritte Teil sein. Weichgespülte, kaputtgeschnittene Bla-Action langweilt und entfernt sich immer weiter von der packenden Oldschool-Nummer, mit der sich Neeson 2008 beachtlich neu definieren konnte. Unknown Identity mit Neeson war schon ein lahmer Nachahmer der Taken Filme, doch Taken 3 ist ein Film zum eben nicht taken.

2 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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