BG Kritik: „Avengers 3: Infinity War“

17. April 2018, Christian Mester

Im ersten Avengers Film lieh ein rosa Bossalien Loki eine außerirdische Armee, um die Erde zu erobern. Hat nicht geklappt, deswegen reist der Mann mit dem Skrotumkinn nun selbst zur Erde, um seine Sammlung an Infinity Steinen zu vervollständigen. Die sind die mächtigsten magischen Elemente des Universums und ermöglichen es bei Komplettierung aller, göttliche Allmacht zu haben. Dann kann man buchstäblich alles, wie z.B. die letzten beiden Staffeln Akte X ungeschehen machen, beim Lidl an der Kasse nie wieder warten müssen, die Hälfte allen Lebens auslöschen etc. Einige dieser Steine kamen schon in den vorherigen Marvel Filmen vor: der Zeitstein steckt in Dr. Stranges Amulett, der Gedankenstein in Visions Stirn, den Machtstein überließen die Guardians of the Galaxy dem Planeten Xandar und der Raumstein gehört vorerst Loki. Um Thanos aufzuhalten, müssen nun (fast) alle Helden der vergangenen 18 Marvel Cinematic Universe Filme erstmals zusammenarbeiten.

© Marvel

Kritik beinhaltet leichteste Spoiler.
Ein dritter (!) Avengers müsste eigentlich langsam unterwältigend sein, geht es doch SCHON WIEDER um einen Supertypen, der die Welt vernichten/unterjochen/halbieren will. Da zeigten sich schon beim zweiten Teil Age of Ultron sichtliche Abnutzungserscheinungen, obwohl Maschinenmann Ultrons Persönlichkeit fraglos sonderbar ausfiel und es mit Scarlet Witch, Quicksilver, Ulysses Klaue und Vision interessante Neuzugänge gab, und die plötzliche Beziehung zwischen Black Widow und Hulk besser funktionierte als zu erwarten war.
Mit den Russo Brüdern (Captain America 2+3) durften zwar kompetente Geschwister ran, aber dann war da ja noch die Nerdnotiz, dass Infinity War (zusammen angeblich knapp 1 Mrd Budget) eigentlich ein Zweiteiler ist, dessen zweite Hälfte erst im Mai nächsten Jahres kommt. Haben wir also dasselbe Szenario wie bei Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 1+2, wo man merklich inmitten der Story abgeschnitten wird und wir mit Dobby wartend im Watt zurückgelassen werden?

Bei Odin, Avengers 3 siegt aufgrund dreier Aspekte. Der rosafarbenste von jenen wäre Alienmann Thanos selbst, der nach Loki endlich mal wieder ein mehr als eindimensionaler Bösewicht der Filmreihe ist. Während Leuts wie Malekith (Thor 2), Ronan the Accuser (Guardians 1) oder Red Skull (Cap 1) bloß in blinder Zerstörungs-/Eroberungswut zerstören und erobern wollten, hat Thanos vergleichbar simple vergleichbare Motivationen, dabei allerdings mehr Ausstrahlung und ist besser inszeniert. Der komplett im Computer kreierte und von Josh Brolin gesprochene Hubbabubba-Tyrann wirkt nachdenklich, zerfurcht und auch ohne Steine überaus mächtig. Eine traurige Gottesgestalt, die eine schwere Entscheidung zum Wohle allen Lebens treffen will und viele interessante Momente erhält. Auch wenn sein Design anfangs gewöhnungsbedürftig ist, erfasst man ihn schnell als passenden Charakter, der auch ausstrahlt, dass er das bisherige Heldenuniversum tatsächlich beenden könnte.

Der zweite Aspekt sind die Teamkombinationen, die im dritten Film weit besser funktionieren als in Age of Ultron oder auch Civil War. Hier gibt es grob drei Teams: Iron Man, Spider-Man, Dr. Strange und Star-Lord tun sich zusammen um Thanos auf seinem Heimatplaneten zu stellen (yep, schon in seinem dritten Auftritt landet der neue Spider-Man im All); Scarlet Witch, Hulk, Team Cap und alle von Black Panther beschützen Vision vor einer Armee von Monstern; sowie Thor und die übrigen Guardians, die versuchen, eine legendäre Waffe mit gewaltigen Stats zu bauen. Ohne zu viel zu verraten sei gesagt, dass sowohl die Interaktionen der Helden miteinander, wie auch die jeweiligen Verwendungen ihrer Kräfte ungemein spaßig ausfallen. Merkliche Abwesenheiten? Hawkeye und Ant-Man lassen sich beide nicht blicken – wieso, wird bestimmt der nächste Film der Reihe, Ant-Man and the Wasp erklären. Überhaupt muss man bei der schieren Quantität an Figuren hinnehmen, dass einige nur wenig zu tun bekommen (nur um dann vermutlich im nächsten präsenter sein zu dürfen). Beispielsweise kommt der Black Panther hier kaum zu Wort, was aber auch in Ordnung sein darf, da er gerade erst 2 Stunden Solofilm hinter sich hat.

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Man könnte erwähnen, dass der Film besser ausschaut als die vorherigen beiden, der Soundtrack wuchtiger ist, die Actionszenen aufregender in Szene gesetzt sind und der Schnitt stimmiger ausfällt als zuvor, aber das ist alles gar nicht mal so wichtig. Ohne es genauer zu definieren ist das Ende des Films der dritte kräftige Pfeiler. Obwohl die Geschichte der Avengers und Thanos mit diesem Film längst nicht beendet ist, fühlt es sich nicht so an, als fehle etwas. Die Russos haben es geschafft, das interessanteste Ende der 19 Filme zu schaffen, eins das zugleich absehbar, andererseits aber auch völlig überraschend ist. Als Geek durfte man zuvor mutmaßen, wie viele der Steine Thanos bis Filmende wohl bekommen mag, doch da bleiben weiterhin viele Faktoren. Was, wenn Thanos schon überraschend früh den Löffel abgibt und jemand ganz anderes alle Steine erhält? Was, wenn Thanos bei Besitz aller Steine anders als angekündigt handelt? Was, wenn einer der Helden die Steine erhält und plötzlich die Seiten wechselt, eventuell gar nicht der ist, der er für die letzten Filme zu sein schien? Das gewählte Ende ist sensationell gut gewählt und dürfte auch wählerischen Langzeitfans der Reihe vollmundig gefallen, denn zum einen weckt es ungemeine Neugier auf den nächsten, zum anderen könnte es das verdiente Ende der bisherigen Saga darstellen, und es zementiert generell, dass Kevin Feiges (Chef des MCU) Herrschaft über die Marvel Filme nach vor in den richtigen Händen liegt.

Natürlich ist es bloß ein weiterer austauschbarer Superheldenfilm mit bösen Supertypen (Thanos‘ vier Kinder mit jeweils unterschiedlichen Designs und Kräften sind übrigens cool) und Helden, die vermutlich eh wieder gewinnen werden, aber gerade dieser Film zeigt, wieso die Reihe verdienterweise so beliebt und erfolgreich ist (Avengers 3 konnte scho in den ersten vier Tagen so viel einspielen wie Justice Leage insgesamt): es sind die Feinheiten. Die Tatsache, dass die Darsteller ihre Szenen nicht nur runterkurbeln, sondern mit Freude und Intensität dabei sind – auch ein Robert Downey Jr, der seit 2008 dabei ist und längst so viele Millionen verdient hat, dass er eigentlich kaum mehr was machen müsste und es akzeptiert würde (s. Johnny Depp in den Karibiken 4+5). Es ist der Nerdfaktor, der immer mal wieder Vermutungen klärt, wie z.B. was wohl passiert, wenn Hulk auf Thanos trifft. Es ist der Vorbereitungsfaktor, dass die gut gewählten Ingredienzien auch zusammengemixt aufregende neue Geschmackserlebnisse bieten (für Iron Man ist es der bereits neunte Auftritt; ihn erstmals mit Star-Lord und Dr. Strange feixen zu sehen, macht dennoch Spaß, weil sie top besetzt sind und tolle Dialoge kriegen). Keine Frage, eigentlich sind die Marvel Filme ebenso oberflächlicher Schmarrn wie die Transformers Titel, doch es sind die Kompetenzen, die den Unterschied machen. Natürlich ist es kein Herr der Ringe, das epischer und emotionaler ausfällt und ehrfürchtiger verlässt, aber gerade Filme wie Indiana Jones 3 oder Zurück in die Zukunft 2 zeigen ja, dass man auch einfach mal Spaß haben darf und man trotzdem aus allen Rohren feuern kann. Nur weil ein Film eine plumpe Handlung und Augenmerk auf CGI Gekloppe hat, muss es nicht immer gleich flache Kakophonie sein.

Es mag schwierig sein, alle Handlungsdetails und die gesamte Lore so vieler Filme im Kopf zu behalten (und dieser Film wird Neulingen viele Fragezeichen bescheren), aber man schafft es stets, langes Vertrauen weiter auszubauen und mit zahlreichen Eastereggs und Interpretationen von Comicelementen zu belohnen, ohne ahnungslose Zuschauer denken zu lassen, sie werden wie in Jupiter Ascending oder John Carter ausschließlich mit Bahnhof zugetextet. Wer also sagt, Marvel Filme seien „nur“ oberflächliche Unterhaltung, hat sogar Recht. Aber das machen sie halt nach wie vor gut, und gerade ein so spürbar reiferer (wohl bemerkt: nicht reifer wie in anders, emotionaler, tragender – nur ausgereifter) Titel beweist, dass da nach 19 Filmen noch verdienter Platz für weitere ist.

Fazit:
Ansehen.

9/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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