BG Kritik: „Ant-Man“

15. Juli 2015, Christian Mester

Als sein größter Konkurrent droht, seine Meistererfindung nachbauen und für das Böse einsetzen zu können, engagiert der ehemalige SHIELD-Ingenieur Hank Pym den lakonischen Dieb Scott Lang. Um den Feind aufzuhalten, kommt Pyms große Erfindung zum Einsatz – ein Anzug, mit dem man beliebig klein werden und Ameisen kontrollieren kann…

Ant-Man (US 2015)
Regisseur: Peyton Reed
Cast: Paul Rudd, Michael Douglas, Corey Stoll

(C) Marvel Studios

Kritik:
Ant-Man gehörte von Anfang an zu Marvels größten Kummerkindern, denn schon zu Beginn fiel die Königin des Baus zum Opfer. Eigentlich hatte Edgar Wright (Shaun of the Dead, Hot Fuzz, Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt) den Film bereits über Jahre mit Marvel entwickelt, doch kurz vor Drehstart trennte man sich auf einmal. Wegen „kreativer Differenzen“, hieß es, und schon mutmaßten alle Fans des MCU, dass Marvel den immens beliebten Regisseur zu sehr einengen wollte, dass sie ja nur einen meinungslosen Ja-Sager wollten. Vor allem schien es so, als man dann buchstäblich den Regisseur des Films Der Ja-Sager verpflichtete. Was sollte das denn noch werden?

Was sich hier nun unter der Lupe finden lässt, ist generell ein unterhaltsamer Film geworden. In zahlreichen Szenen schrumpft der Ant-Man auf Ameisengröße hinab, wird manchmal sogar noch kleiner und erlebt so visuell beeindruckende Action. Ob es erste holprige Trainings sind, bei denen er mit seiner Tolpatschigkeit vor Türen statt durch Schlüssellöcher springt, diverse Szenen, in denen unterschiedliche Ameisenarten helfen oder ein abschließender spektakulärer Showdown, indem ein Kinderzimmer zum Schauplatz eines furiosen Kampfes wird. Scott kann sich auf Knopfdruck klein und groß machen und behält seine normale Stärke bei. Damit lassen sich zahlreiche interessante Actionmotive entwickeln, und Peyton Reed bedient sich ebenso einfallsreich wie abwechslungsreich der vielen Möglichkeiten. Was die Action betrifft, ist Ant-Man entgegen seiner Größe demnach riesig, und es ist das erste Mal nach 11 Marvel Cinematic Universe Filmen, dass das 3D nicht nur tolerierbar, sondern sogar vollends zu empfehlen ist.

(C) Marvel Studios

Verlieren wird der Film aber auf kleinen Leinwänden und im Heimkino, und auch generell im Laufe der nächsten Monate. Nach Filmende ist man vielleicht noch begeistert, das nächste, gute Kapitel des gefeierten MCU’s erlebt zu haben, doch die Schwächen des Ant-Mans sind auf Dauer nicht zu übersehen. Scott Lang, für gewöhnlich in Beziehungskomödien wie Immer Ärger mit 40 zu sehen, steht charismatisch weit hinter den anderen Helden zurück, und ist eher ein Hawkeye. Er ist ein Dieb, der eine Tochter hat und sich das Besuchsrecht zurückerkämpfen will, doch Peyton Reed macht nichts aus dem vielversprechenden Dramenaspekt. Zwar ist es mal erfreulich, dass der neue Mann seiner Exfrau kein überzeichneter, antagonistischer Unhold ist, doch Rudds Scott strahlt den ganzen Film über lässige Gleichgültigkeit aus. Es geht scheinbar um nix, und er hat auch nicht die engsten Verbindungen zu seinen Kollegen. Michael Douglas als alter, verbitterter Erfinder sieht in ihm einen zweiten Padawanversuch, der den ersten davor abhalten muss, zum Vader zu werden, doch die beiden werden sich nie wirklich eng. Evangeline Lilly aus dem Hobbit spielt eine strenge Karrierefrau, die Hanks Tochter ist und sich erst langsam wieder mit dem Griesgram anfreundet. Zwischen Vater und Tochter kriselts ganz passend, doch zwischen Rudd und Lilly passiert nicht weiter viel. Das Ant-Man Team wird dann noch durch Langs kriminelle Freunde erweitert, darunter ein weicher Latinogangster in Form von Michael Pena, ein scheinbar russischer Hacker und Rapper TI. Die drei sind spaßig, wirken aber oft zu überzogen, und auch sie haben kaum spürbaren Draht zum Ant-Man selbst.

Der böse Ziehsohn Hanks ist ebenso mickrig. Selbstredend will er die gewaltige Technik für das Böse verwenden, um größtmöglichen Profit zu erwirtschaften, doch im Gegensatz zum ähnlichen Jeff Bridges im ersten Iron Man hat Corey Stoll kaum Ausstrahlung. Er trägt teure Anzüge, verspottet seinen Mentor und kämpft später als Laser schießender Wesperich Yellowjacket gegen den Ant-Man, doch er dürfte insgesamt sogar zum schwächsten aller bisherigen Marvel Gegenspieler zählen. Mickey Rourke in Iron Man 2 war auch nichts und die Marvel Filme haben bis auf Loki generell Nachholbedarf im dem Bereich, aber Rourke ist Rourke und Stoll von Haus aus halt nicht so toll. Ant-Man ist im Großen und Ganzen kompetent inszeniert und solide Sommerunterhaltung, aber mögliche echte Stärken sind hier leider arg geschrumpft. Teils durch Unfähigkeit, teils durch unpassendes Casting. Connections zu den übrigen Marvel Filmen gibt es ein paar, inklusive Cameo und zweier (!) Szenen im Abspann, jedoch gabs auch das schon intelligenter und aufregender eingebracht.

(C) Marvel Studios

Punkten kann Ant-Man immerhin darin, der wohl lustigste aller Marvel Filme bisher geworden zu sein. Zwar wirken Reeds Regie und Rudds Motivation oft gehemmt, doch trotz allem bricht der Humor immer wieder durch, und das dann meistens mit Erfolg. Dass sich ein Kämpfer winzig klein machen kann, und Ameisenmann heißt, hat eine gewisse Absurdität, und der Film ist fast immer dann am stärksten, wenn er sich dessen bewusst wird und solcher Unsinn visuell kommentiert wird.

Fazit:
Ant-Man bietet durchaus sehenswerte Marvel Action und jede Menge Humor, setzt aber auf eine relativ ernste, interessante Familiengeschichte, die bloß winzig und ungenutzt bleibt. Zusammen mit einer suboptimalen Hauptbesetzung reiht sich der Ameisenmann daher eher im unteren Drittel der bisherigen Marvelfilme ein. Wer die meisten Superheldenfilme eh mag, wird auch den hier mögen, und wer sich unsicher ist, lässt sich vielleicht für die gelungenen 3D Szenen im Mikrokosmos begeistern. Für’s reine Spektakel lässt sich für’s Kino locker ein ganzer Punkt drauflegen. Auf kurz oder lang wird Lang als Held jedoch nicht lange in Erinnerung bleiben.

6/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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