BG Kritik: „The World’s End“

12. September 2013, Daniel Schinzig

Zwanzig Jahre nach ihrem ersten Anlauf versuchen es die fünf Jugendfreunde Gary (Simon Pegg), Oliver (Martin Freeman), Andrew (Nick Frost), Peter (Eddie Marsan) und Steven (Paddy Considine ein weiteres Mal, eine berühmt berüchtigte Kneipentour zu schaffen. Während sie sich durch zwölf Bars trinken die in einer Kneipe namens The World’s End enden soll, braut sich jedoch etwas Unglaubliches zusammen….

© Universal Pictures

THE WORLD’S END (2013)
Regisseur: Edgar Wright
Cast: Simon Pegg, Nick Frost, Martin Freeman

Kritik:
Es gibt Filme, die Szenen beinhalten, die man am liebsten feiern würde, weil sie so treffsicher einen Umstand auf den Punkt bringen und man bemerkt, welche Sicht die Macher auf die Welt um sich haben. „The World’s End“ ist so einer dieser Filme. Wenn Gary King (Simon Pegg) und seine vier Jugendfreunde in ihrer alten Heimatstadt einen Club betreten, in dem alle im Gleichtakt zu „Join Our Club“ tanzen, wirkt das erst einmal wie ein ganz normales Bild. Wäre da nicht der Umstand,
dass alle Discobesucher hohle Roboter sind. Nicht wenige dürften an dieser Stelle mit einem breiten Grinsen Edgar Wright und Simon Pegg Beifall spenden und sich vor den beiden dafür verneigen, erneut Momente erschaffen zu haben, die wie das Finale von „Hot Fuzz“ mit nur einem sich aus der Gesamtsituation ergebenen Umstand zielsicher die Idiotie in einer für einen Großteil zur Normalität gehörigen Tätigkeit offenzulegen.

Über solche grandiosen Einzelmomente hinaus liefert Wright das, was die Fans von „Shaun of the Dead“ und „Hot Fuzz“ von ihm auch erwarten: Schnelle Wortwitze (Die zum Großteil auch perfekt ins Deutsche gerettet wurden), noch schnellere Schnitte (Die jedoch weniger inflationär als bei „Hot Fuzz“ eingesetzt werden) sowie Gesellschaftskritik, Drama und Genre-Persiflage. Doch scheint der
baldige „Ant-Man“-Regisseur dabei im Gegensatz zu den beiden Vorgängern etwas ziellos zu wirken. Zumindest auf den ersten Blick. Denn eigentlich weiß er ganz genau, was er tut. Nur ist „The World’s End“ noch eine Spur vielschichtiger als seine filmischen Cornetto-Brüder und damit etwas schwerer zu durchschauen.

© Universal Pictures

Somit könnte es „The World’s End“ schwieriger beim Publikum haben. War „Shaun“ eine liebevolle Persiflage und gleichzeitig Huldigung auf das Genre des Zombiefilms und „Hot Fuzz“ dasselbe für das Genre des Actionfilms, so stellt sich bei „World’s End“ die Frage, welches Genre denn hier nun eigentlich Pate stand. Klar, Science Fiction, mag jetzt jeder mit Blick auf Robotern und gewisse andere Elemente schreien. Doch so einfach ist es nicht. Spielten die ersten beiden Teile sehr stark und von Beginn an konsequent mit Genre-Konventionen und führten diese intelligent vor, ohne je die Bewunderung für die jeweiligen Vorbilder zu verleugnen, ist der Bezug zu einem Genre bei „The World’s End“ zumindest in der ersten Filmhälfte gar nicht so stark herausgearbeitet. Das ist weder gut noch schlecht. Es ist ein Fakt, der „The World’s End“ dann doch von seinen beiden
Vorgängern unterscheidet. Statt den Fokus auf das Spiel mit Genre-Klischees zu legen, geht es Wright und Pegg mehr denn je um ihre Charaktere. Vor allem geht es hier um Gary King, dessen ganzer Lebenssinn darin besteht, eine Nacht von vor 20 Jahren zu wiederholen und zu vollenden. Ein Mann, der nur an seiner Vergangenheit hängt, sich nie weiterentwickelt hat und nun auf seine alten Freunde trifft, die allesamt ein ganz anderes Leben führen. Ferner geht es aber auch um das Gefühl, bei der nach langer Zeit erfolgten Heimkehr in den Geburtsort alles als unverändert aber dennoch ganz anders zu empfinden. So ist Wrights Trilogie-Abschluss bis zu einem gewissen
Punkt mehr eine eigenständige britische Komödie, die sich neben den gewohnt hervorragenden Wortwitzen und irrsinnigen Einfällen auch viel Zeit für die Charaktere nimmt, das Herz am rechten Fleck hat und die lediglich durch Elemente des Sci-Fi-Genres ergänzt wird. .

Je näher der Film dem Ende entgegen rast, desto mehr wird dann doch aber wieder mit Genre- Konventionen jongliert und die Kneipen-Komödie wandelt sich immer mehr in einen Invasions-Thriller in der Tradition alter Klassiker wie „Das Dorf der Verdammten“. Mehr noch: Immer mehr zieht uns die dichter werdende Atmosphäre auf eine Weise in den Bann, von der manch komplett ernst gemeinter Beitrag nur träumen kann. Hinter jeder Kneipentür, hinter jedem menschlichen Gesicht ist eine neue Bedrohung zu erwarten, alte Konflikte innerhalb der Gruppe brechen wieder auf, nie Ausgesprochenes bahnt sich langsam seinen Weg an die Oberfläche. Und durch das vermehrte Auftauchen der als „Hohlen“ bezeichneten künstlichen Wesen erhält eine interessante Ambivalenz Einzug in den Film, die für ordentlich Diskussionsstoff nach dem Abspann sorgen dürfte. War bisher eindeutig eine kritische Haltung gegenüber dem an vergangene Tage festhaltenden Gary King vorherrschend, mischen sich nun auch fortschrittskritische Töne in „The World’s End“. Ein ruhig wörtlich zu nehmender Kampf zwischen Alt und Neu entsteht, zwischen dem Vergangenen und dem Fortschrittlichen, aber in gewisser Weise auch zwischen dem Menschlichen und dem Technischen, zwischen dem Individuum und dem Kollektiv, dessen einzelne Teile untereinander ohne Probleme austauschbar sind. Ein Kampf, der keinen wirklichen Gewinner finden kann, so wie wir am Ende auch keine eindeutige Frage auf die vom Film aufgeworfene Problematik finden können. Aber auch ein Kampf, der wahnsinnig unterhaltsam in Szene gesetzt wurde.

© Universal Pictures

Der mit „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ erfolgte Ausflug nach Hollywood scheint Spuren hinterlassen zu haben bei Wright – im Positiven wie im Negativen. Ganz in der Tradition von „Shaun of the Dead“ und „Hot Fuzz“ hält er sich nicht mit Splatter-Einlagen zurück, lässt Köpfe zerplatzen und das Blut spritzen… Naja… Irgendwie zumindest. Denn zermatscht werden dieses Mal künstliche Wesen, die mit einer Art Tinte gefüllt sind, wodurch die vielen brutalen Spitzen ein wenig entschärft wirken, so wie es besonders in den 90ern bei zensierten Versionen brutaler Videospiele der Fall war. Das stört nicht wirklich und passt zur Story des Films, irritiert mit Blick auf die Vorgänger jedoch schon etwas.

Doch wo Hollywood Wright eventuell handzahmer im Umgang mit der roten Flüssigkeit gemacht hat, so sehr profitierte Wrights Inszenierung von Actionszenen davon. Wenn King und seine
Freunde gegen die Roboter ankämpfen, ist das so herrlich schräg und schnell choreografiert, dass man hin-und-hergerissen ist zwischen Lachen und Mitfiebern. Hier kommt immer wieder der ganze Wahnsinn aus dem Kämpfen von „Scott Pilgrim“ durch. Wenn Horden von wie normale Durch-schnittsmenschen aussehenden Robotern die Verfolgung der Hauptprotagonisten aufnehmen, erinnert das durchaus an die Zombiehorden aus „Shaun of the Dead“. Und Szenen wie die
eingangs beschriebene Clubsequenz versprühen die Sozialkritik eines „Hot Fuzz“. „The World’s End“ entpuppt sich so als Best Of des bisherigen Kinoschaffens von Wright, was vor allemfür seine Fans ein Fest ist. Ganz nebenbei beweist er auch wieder seinen hervorragenden Musik-geschmack: Wenn Songs von Teenage Fanclub, Blur oder The Doors erklingen, ist sicher, dass auch Wright sehr viele schöne Erinnerungen an die 90er Jahre hat.

Fazit:
Bis zu einem gewissen Zeitpunkt mehr schwarzhumorige britische Komödie mit Sci-Fi-Elementen denn permanentes Spiel mit Genre-Konventionen. Das mag eventuell nicht allen Fans von „Shaun of the Dead“ und „Hot Fuzz“ schmecken, doch ist auch „The World’s End“ wieder eine mehr
als gern gesehene positive Ausnahme im sonst so langweiligen Komödien-Einerlei, gleichzeitig eine Art Best-Of von Wrights Inszenierungsstil, verunsichernder Invasionsstreifen und hinter all
dem Wahnsinn die tragische Geschichte eines Menschen, der so sehr an der Vergangenheit hängt, dass nichts anderes mehr in seinem Leben Platz hat als die Wiederholung einer als nahezu perfekt empfundenen Jugendnacht. Demgegenüber finden sich auch an vielen Stellen gesellschafts-kritische Elemente, die den technischen Fortschritt thematisieren und damit einen interessanten Widerspruch zur kritischen Haltung gegenüber des in der Vergangenheit festsitzenden Lebensstils des Hauptprotagonisten darstellen. Ein Film, über den viel gelacht, aber auch viel diskutiert werden kann und somit ein absolutes Komödien-Highlight.

9 / 10

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