BG Kritik: „Ghostbusters“ (2016)

2. August 2016, Christian Mester

Als in New York vermehrt Geistererscheinungen gesehen werden, schließen sich zwei wuselige Wissenschaftlerinnen, eine irre Ingenieurin und eine Ticketverkäuferin zusammen, um der Sache als Ghostbusters nachzugehen. Mit den anderen Ghostbusters haben sie übrigens nichts zu tun – diese Story spielt in einer anderen Dimension.

(C) Sony Pictures

GHOSTBUSTERS
Ghostbusters: Answer the Call (US 2016)
Regisseur: Paul Feig
Cast: Kristen Wiig, Melissa McCarthy, Kate McKinnon, Leslie Jones, Chris Hemworth

Über die chaotische Entwicklungsgeschichte mit einem trollenden Bill Murray, der sich jahrelang kichernd weigerte, Dan Aykroyds Drehbücher zu lesen, dann aber im Venkman-Kostüm bei einer Awards-Show und im Film Zombieland auftrat – nur um den Ufologen und Blues Brother zu ärgern – lässt sich fraglos ebenso umfassend diskutieren wie über den soliden, eigentlichen offiziellen dritten Teil mit allen vier Darstellern, der 2009 in Gameform (BG Kritik) erschien. Ein fast noch größeres Thema ist die leider leidliche, monatelang laufende Debatte darüber, ob der neue Film denn nun frauen-, franchise- oder kritikfeindlich ist. Alles Themen, die in unserer seit 2005 (!) laufenden Forendiskussion zur Genüge besprochen worden sind, also geht es heut ohne Umschweife direkt ans Eingemachte.

Anstatt die etablierten Charaktere Venkman, Stantz, Spengler und Zeddemore faul auf Frauen umzuschreiben, hat das Drehbuchteam um Schlüsselmeister Paul Feig und Torwächterin Katie Dippold vier unterhaltsame neue entwickelt. Melissa McCarthy, sonst immer als dauerfluchender Schussel unterwegs, darf bis auf Ausnahmen die ruhigste und gewöhnlichste spielen, die vernünftige Anführerin des Teams. Wären die vier die Turtles, wäre sie ihr Leonardo. Ihr gegenüber steht Kristen Wiig, die dem Paranormalen eigentlich abgeschworen hatte und sich als züchtige Wissenschaftlerin sieht. Sie spielt sie als geniale Forscherin mit der Libido und Unsicherheit einer 16jährigen, die sich immer wieder niedlich blamiert. Dann wäre da noch Leslie Jones, die in allen Trailern als keifender Black Mama Stereotyp präsentiert wurde, im Film aber spürbar anders wirkt. Als Außenseiterin fordert sie stets klare Worte, wenn das Technikgefasel der drei anderen zu nerdig wird, darüber hinaus kann sie sich mit geschichtshistorischen Kenntnissen weit sinnvoller einbringen als es Ernie Hudsons Winston je durfte, der ja damals bloß kurzfristiger Lückenfüller für Eddie Murphy war. Als Figur erweckte er nie den Eindruck, für die anderen ein Freund oder überhaupt ehrlich am Geisterjagen interessiert zu sein, das ist hier anders. Hier ist das Team wirklich eins.

(C) Sony Pictures

Mit zwei weiteren Figuren positioniert Feig seinen Film allerdings bewusst ein paar Zentimeter weiter weg vom realistischeren Umgangston der ersten beiden Teile. Als vierte im Bunde spielt Kate McKinnon eine verrückte Ingenieurin, die in alter Jim Carrey Manier am laufenden Band nur Grimassen zieht, seltsames Zeug von sich gibt und gefühlt innerhalb von Tagen die kompliziertesten Geräte entwickeln kann. Allein wäre sie vermutlich zu anstrengend, aber als Gegenpol zu den anderen drei, insbesondere zur verklemmten Wiig, macht sie großen Spaß, und ihre Unberechenbarkeit lässt auf jede ihrer Szenen freuen. Der wirrste von allen wird von einem Mann gespielt. Chris Hemsworth („Thor“) mimt ihren Sekretär und das als absolute Dumpfbacke. Er ist so dumm, dass selbst Dumm & Dümmer mit dem Kopf schütteln würden, und Hemsworth lässt dementsprechend mehrfach lachen. Der Humor ist ansonsten relativ vielfältig gesetzt, von kleinen Geschmacklosigkeiten bis hinzu ausführlichen Improv-Momenten. Dass drei der vier zufällig aus derselben Comedysendung kommen, aus der damals auch Murray und Aykroyd kamen, schafft Platz für tolle Improvisationen. Die Damen sind immer dann am witzigsten, wenn Feig sie einfach mal machen lässt. Beispielsweise, wenn er sie zu DMX tanzen oder sie über den fahrlässigen Einsatz von mobilen Atomreaktoren diskutieren lässt.

Verglichen mit anderen späten Sequels wie denen zu Rocky, Independence Day und Terminator fällt eines allerdings gehörig auf, an dem nichts zu ändern ist: die Mundart. Ghostbusters wurde damals unter der genial flapsigen Synchronregie von Murray-Sprecher Arne Elsholtz eingesprochen, die sowohl die internen Gespräche, als auch die mit dem Bürgermeister kultig kumpelhaft klingen ließ. Das heißt nicht, dass die Synchro oder Unterhaltungen schlecht geworden wären, doch dass dieses besondere Kult-Etwas nicht zu finden ist, liegt auch darin mitbegründet. Davon ab, war der erste Film ein seltenes Wunder, bei dem eine okaye Idee mit okayem Script und guten Darstellern unverhofft zu einem grandiosen, endlos zitierbaren Kultfilm wurde. Ivan Reitman hat bislang 17 Filme gedreht, doch die gefühlte Perfektion eines Ghostbusters konnte er selbst nie wieder reichen.

Feig hier auch nicht, aber selbst wenn man subjektiv mit dem Humor des neuen Films nicht viel anfangen kann, lässt sich der Rest nur schwerlich als lieblose Markenausbeute beschreiben. Die Geistereffekte sind äußerst gelungen, inklusive des Riesengeistes, der am Ende auftaucht. Wenn die Geister schaurig sein sollen, sind sie es – mehr als im Original. Dass der Film die Entstehung jedes GB-Merkmals (des Logos, der Anzüge, der Protonenstrahler, der Fallen, Ecto-1 und der Wahl des Feuerwehrhauses) erklärt, kann man als unnötig erachten, allerdings ist es gut gelöst und wird durch neue, zusätzliche Waffenarten unterhaltsam erweitert. Zum ersten Mal in diesem Kinojahr gibt es eindrucksvolles 3D im Kino zu sehen. Immer wieder ragen die Protonenstrahlen über die schwarzen Ränder der Leinwand, mehrmals fliegt etwas ins Publikum, größere Szenen wie ein umwirbeltes Hochhaus gewinnen an Tiefe, und verglichen mit beispielsweise Star Trek Beyond gibt es keinerlei nervige Wackelkamera.

(C) Sony Pictures

Also alles so perfekt wie beim Original? Bei Gozer, dem Gozerianer, nein. Ohne näher ins Detail zu gehen, gibt es gewisse Cameos im Film (der im Abspann übrigens Ghostbusters: Answer the Call heißt, ähnlich wie John Carter im Abspann John Carter of Mars hieß), die sinnfrei unverknüpft und damit komisch platziert sind. Ein beiläufiges Einspielen der von Missy Elliott und Fall Out Boy neu intepretierten Theme versagt kläglich, zumal der Film eh auch das Original spielt. Slimer, der alte Schleimbolzen, hauptsächlich aus der Zeichentrickserie The Real Ghostbusters bekannt (nach dessen Egon übrigens McKinnons Frisur modelliert ist), taucht in zwei eher reichlich unwitzigen Szenen auf, die so wie irre Forderungen des Studios aussehen, da sie nicht zum Ton des restlichen Films passen. McCarthy hat einen Dauergag mit einer Suppe, der nicht hinhaut, und mitten im Film fehlt eine Szene, die erklärt, wieso Wiigs Figur sich mal kurzzeitig von dem Team trennt. Ein wirkliches Minus ist der Bösewicht. Rowan ist ein Hotelboy, der schlecht gecastet ist und aus unverständlichen Gründen das Ende der Welt herbeigeistern will. Er ist zwar hauptsächlich in Geisterform und in anderen Menschen zu sehen, doch es fällt auf, dass sich Feig die wenigsten Gedanken um ihn gemacht hat. Wie schon bei Independence Day 2 gibt es auch hier das Problem, dass die Helden im Angesicht des drohenden Weltuntergangs keinerlei Erstaunen und keine Furcht zeigen. Das haben die alten Jungs zwar auch nicht, da rettete Venkmans sarkastischer Galgenhumor allerdings die Lage. Hier wirkt der Showdown wie ein sanftes Badmintonspiel im Freibad, weswegen es schwer fällt, mitgerissen zu werden.

Was die politische Komponente betrifft, konnte es Feig nicht ganz lassen, doch noch darauf einzugehen. So werden kritische Kommentare aus dem Internet kopfschüttelnd kommentiert, wird Feinden zwischen die Beine geschossen und nahezu jeder Mann im Film als Dummbatz, Sexobjekt oder Weichei stilisiert. Schwer zu glauben, aber all das geschieht nie aggressiv plakativ, sondern mit einem Augenzwinkern. Es ist klar, dass Feig bloß mitteilen will, dass man es doch einfach lockerer sehen soll – wenn Jonah Hill und Channing Tatum als Ghostbusters einem Geist in die Nüsse geschossen hätten, wäre es diskussionslos gefeiert worden – aber das hätte er sich sparen können. Gerettet ist dadurch nichts, lediglich bleibt dadurch die Erinnerung an all diese Hetzdiskussionen fest an den Film gekettet. Wichtig war doch nur, ob der letztendliche Film sehenswert sein würde oder nicht – und das ist er.

Fazit:
Ein spaßig kurzweiliger Sommerfilm und ein solider neuer Ghostbusters. Natürlich reicht er nicht an das perfekte Original heran, doch das konnte ja auch schon der zweite Teil nicht mehr. Der dritte Film kann mit dem zweiten locker mithalten, und man müsste schon in Vigos Emotionsschleim feststecken, um den neuen aus verblendeter Engstirnigkeit ignorieren zu wollen.

6/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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