BG Kritik: The Dead don’t die
In der verschlafenen Kleinstadt Centerville wundert man sich: Tageszeiten verschieben sich, Uhren und Funk versagen, Tiere verschwinden und dann gibt es die ersten Toten, vielleicht von einem wilden Tier gerissen. Oder von mehreren. Doch bald ist klar: Zombies, die lebenden Toten, kommen aus ihren Gräbern und bedrohen die Bewohner der Stadt.
The Dead don’t die (USA, Schweden 2019)
Regie: Jim Jarmusch
Darsteller: Bill Murray, Adam Driver, Tilda Swinton, Tom Waits, Caleb Landry Jones, Steve Buscemi, Chloe Sevigny, Selena Gomez u.a.
Kinostart Deutschland: 13. Juni 2019
Die Filme von Jim Jarmusch sind ganz spezielle Fälle. Seine entschleunigten Tragikomödien werden gerne von Fans und Kritikern als „lakonisch“ bezeichnet, denn mit welchem Begriff könnte man Filme wie „Mystery Train“, „Night on Earth“ und „Broken Flowers“ sonst beschreiben? Gelegentlich bringt Jarmusch seinen patentierten Stil und Ton mit Genrefacetten in Kontakt. Nach Gangster Hip-Hop-Samurai („Ghost Dog“) und Vampiren („Only Lovers Left Alive“) sind es nun Zombies. Die lebenden Toten, Ghoule, ja, die Untoten suchen eine Kleinstadt heim, in der sich bald diverse bekannte Gesichter tummeln, die meisten davon bereits Jarmusch-Veteranen.
Wenn die Stadt Centerville heißt, wenn sie sich auf dem Ortsschild als „A real nice place“ beschreibt und wenn Bill Murray in seiner typisch trockenen Art der letzten Jahre den Polizeichef gibt, kann man sich in etwa denken, wo man hier gelandet ist. Chief Robertson und Officer Peterson (Adam Driver) kümmern sich zunächst noch um die heißesten Fälle Centervilles: Waldschrat Bob (Musiker Tom Waits) soll ein Huhn vom rassistischen Farmer Frank Miller (Steve Buscemi) gestohlen haben. Die Gesetzeshüter sparen sich Mühen und Papierkram, belassen es bei einer nüchternen Ermahnung und kurven stattdessen kurz vor Feierabend noch ein wenig durchs Örtchen. Im Radio spielt „The Dead don’t die“ von Sänger Sturgill Simpson; ein Country-Blues Song, der sich derart penetrant – und das mit Absicht – durch den Film zieht, dass er bald schon Figuren und Zuschauern zum Halse raushängt. Warum ihm das Lied bekannt vorkomme, will Chief Robertson wissen. Und Petersons gleichermaßen absurde wie, äh, „lakonische“ Antwort macht klar, was für einen Ton und welche Art von Humor wir hier erwarten können. Es könnte aber auch reichen, zu erkennen, dass Schauspielerin Rosie Perez hier eine Reporterin namens Posie Juarez spielt.
Erwartungsgemäß durchspielt Jarmusch mit seinem Personal Klischees und Stereotypen der kleinstädtischen USA vielleicht im mittleren Westen. Mit dabei sind Polizisten, Diner Personal, Tankstellenarbeiter, Farmer, Rassisten und Senioren. Aus der Reihe fällt nur logischerweise Tilda Swinton als schottische Bestatterin mit Japan-/Samurai-Affinität. Dann gibt es drei Teenager im Jugendknast, über Selena Gomez und ihre zwei Begleiter kommen noch Außenstehende ins Städtchen und dann kann die Sache mit den lebenden Toten auch schon losgehen. Es ist in erster Linie ein kurioser Ulk, den Jarmusch hier mit seinen Stars veranstaltet. Ein amüsanter Spaß für jeden, der Zugang zum speziellen Ton finden kann. Reaktionen und Dialoge, selbst im Angesicht des Untotenchaos, sind oftmals trockener als ein Wüstenfurz. Wiederholungen von Sprüchen und Reaktionen bilden komödiantische Highlights. Noch dazu wird Jarmusch auf schon absurd offensichtliche Weise meta-referentiell, durchbricht die berühmte „Vierte Wand“ und lässt sich auch mal zu einer wohlplatzierten Albernheit hinreißen, zum Beispiel wenn wir Adam Driver im Privatfahrzeug seiner Figur sehen. Tom Waits macht gelegentlich den Kommentator und so ganz nebenbei ist „The Dead don’t die“ einer der wenigen Zombiefilme, in der die Figuren über andere Zombiefilme bzw. über das Konzept Zombie Bescheid wissen.
So komplett „nur weil’s Spaß macht“ agiert der Film dann aber doch nicht. Monster – und dazu gehören Zombies – sind nie einfach nur Monster. Im Radio ist entweder nur „The Dead don’t die“ oder ein politischer Bericht über Fracking an den Erdpolen zu hören. Dieses Fracking soll die Erde wortwörtlich aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Alles verändert sich, der Mond schimmert seltsam und Tom Waits fängt an, über Zombies (und die, die welche werden sollen) als Symbolfiguren zu sprechen. Im einst beschaulichen Centerville wird sich eigentlich nur über einen einzigen Bewohner, der seine politische Stellung mit einer Kopfbedeckung kommuniziert, negativ geäußert. Auf T-Shirts und in Kommentaren kann man kleinere Spitzen entdecken, kann Vermutungen über die genauere Beziehung gewisser Figuren anstellen und witzigerweise werden die klassischen „Braaains“ Zombies hier um andere letzte Instinkte erweitert. George A. Romero schickte seine Untoten nicht ohne Grund ins Kaufhaus. Jim Jarmusch kommuniziert hier ähnliche Dinge, zeigt, wo die Aufmerksamkeit der Menschen liegt und worin sie Wert sehen. Das ist wenig subtil und vielleicht nur halb ernst gemeint, besonders ad absurdum geführt durch die „Überraschungen“ des Finales, doch es reiht sich thematisch ein in Jarmuschs jüngere Betrachtungen des vermeintlich banalen Lebens („Paterson“), der Unsterblichkeit bzw. der Zeit („Only Lovers Left Alive“) und nun des Todes.
Fazit:
Weder ein „Zombieland“ noch ein „Shaun of the Dead“. Jim Jarmuschs herrlich trockene Zombiekomödie ist erwartungsgemäß ein spezieller Fall, bietet für ein aufgeschlossenes Publikum jedoch wunderbar aufgelegte Darsteller, kuriose Einfälle und ein paar kluge Beobachtungen. Sicherlich nicht Jarmuschs bestes Werk, aber allemal sehenswert.
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