BG Kritik: „Dumbo“ (2019)
Ist es ein Vogel, ein Flugzeug? Nein, es ist der beliebte graue Dickhäuter mit den riesigen Ohren, der da durch die Lüfte segelt: „Dumbo“. Manege frei für die seit 1941 Kinderaugen groß aufleuchten lassende Geschichte vom fliegenden Elefanten, diesmal als Realfilm mit animierten Tieren.
Dumbo (US, 2019)
Regie: Tim Burton
Cast: Colin Farrell, Eva Green, Nico Parker, Finley Hobbins, Danny DeVito, Michael Keaton
„Dumbo“ erhält seine ab 6 Jahren freigegebene Startfreigabe ab dem 28. März 2019 im Kino.
Kritik:
Als erstes von drei(!) neuen Real-Film-Remakes in 2019 fliegt „Dumbo“ nun voran, gefolgt von „Aladdin“ auf seinem fliegenden Teppich, dessen Start für den 23. Mai angesetzt ist. Vermutlich überwiegend am Boden verbleibend brüllt Simba dann abschließend und voraussichtlich ab dem 18. Juli 2019 im „Der König der Löwen“ Remake. Vor ziemlich genau einhundert Jahren irgendwann Anfang des Jahres 1919, und somit nur wenige Monate nach Beendigung des Ersten Weltkrieges hat der Zirkus von Max Medici (hat noch immer ein geniales Comedy-Timing, Danny DeVito) schon weitaus bessere Zeiten erlebt. Das Geld ist bereits lange knapp, der Lack von den Wagen der Künstler hat nicht erst gestern angefangen abzublättern, vom Kriege mehr als nur eines Künstlers und somit Publikum anziehender Attraktionen beraubt… Es sieht schlicht nicht gut aus und alsbald könnte das Zirkuszelt zum letzten Mal abgebaut werden. Es gilt eine Attraktion zu finden, die scharenweise Kinder mit Erwachsenen im Schlepptau in die Manege und vor die Popcorn-Stände zieht. Menschen, Tiere, Sensationen eben. Da könnte die baldige Geburt einer kleinen, ach so süßen Attraktion in Gestalt eines Elefantenbabys mit riesigen Augen die Rettung sein. Hätte es doch neben den ach so riesigen und süßen Augen, nicht auch noch gewaltig große Ohren. Ein Anblick, den nur eine Mutter lieben kann? Inszeniert von den routinierten Händen von Tim Burton (drehte zuletzt „Big Eyes“ und „Die Insel der besonderen Kinder“) und mit einem Star-Aufgebot aus u.a. Colin Farrell, Eva Green, Danny DeVito, Michael Keaton und Alan Arkin.
„Dumbo“ war immer eine klassische Außenseiter-Geschichte. Ausgegrenzt und verspottet von Mensch und Tier und das lediglich aufgrund seiner äußerlichen Andersartigkeit, begannen die, die ihn zuvor ausgelacht und beschimpft haben, später große Augen zu machen und zu applaudieren, sobald klar war, zu was ihn sein „Makel“ befähigte. Und im Herzen ist das Remake dies auch weiter. Etwas, was ja auch auf dem Papier sehr gut zu Tim Burtons Faible für Außenseiter und Sonderlinge zu passen scheint. Anders als noch im Original sind die Menschen hier aber nicht oft und gerne nur applaudierende Schatten in der Manege, sondern zentrale Figuren und Handlungsträger. Auch wird „Dumbo“ hier nicht vom Storch geliefert, sondern von einer zuvor schwangeren Elefantendame geboren. Was den Film nicht nur optisch realer, sondern sich auch realistischer verankert anfühlend macht. Dass Elefanten trotzdem aerodynamisch betrachtet eher nicht ideale Flieger sind, drauf gepfiffen. Es ist immer noch ein Disney-Märchen. Ein Märchen, welches diesmal eben deutlich zentrierter auch menschliche Figuren in sich führt. Hier kommt Zirkus-Reiter Holt Farrier (Colin Farrell) mit gebrochenem Herzen und einem Arm weniger zurück in die ehemals schillernde Welt der Kraftmänner, Meerjungfrauen und Theaterschminke. Vom Schrecken des Ersten Weltkrieges und dem kürzlichen Verlust seiner Frau gleichermaßen gezeichnet, muss er sich nun alleinerziehend um seine ihm entfremdeten beiden Kinder Milly (sichtlich Thandie Newtons Tochter, Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins) kümmern. Aber alsbald gilt es nicht nur gebrochene Herzen und Bindungen zu heilen, und zurück in den Sattel zu steigen, sondern auch noch einem Baby Elefanten das Fliegen zu lehren. Da von DeVitos Max Medici mit der Elefanten-Pflege und Ausbildung betraut. Dass dies auch Flugstunden beinhaltet, konnte ja keiner ahnen.
Durch diese Zentralisierung der menschlichen Figuren in der Geschichte (um den tierischen Außenseiter mit den großen Ohren) wird „Dumbo“ hier zwar nicht richtig zum Außenseiter in seinem eigenen Film gemacht, aber so richtig im Zentrum steht er eben und irgendwie auch nicht. Denn anstatt wie seinerzeit aus der Perspektive der Tiere zu erzählen, schwenkt Burton den Blick auf die anderen, die menschlichen Außenseiter vom Zirkus. Mindestens wie geteiltes Spotlight mit einem gefühlten Hauch von mit einem Bein und dem kleinen Hintern in der zweiten Reihe stehend, wirkt dieser „Dumbo“ hier aber schon. Was aber irgendwie auch schon daran liegt, dass wir hier diesmal keine anthropomorphen Tiere haben – die sich bewegen, verhalten und sprechen wie Menschen – sondern am Computer geschaffene Wesen, die vom Verhalten ihren realen Vorbildern aus der Natur nacherschaffen wurden. Vorbei ist die Zeit der sprechenden Maus Timothy auf dem Kopf des Elefanten, denn dieser Platz gehört nun Eva Green als französische Hochseil-Akrobatin Colette Marchant. Aber wer würde sich denn nicht lieber von ihr, denn einer Maus die Kommandos in der Manege ins Ohr hauchen lassen? Arbeitslos ist die Maus deshalb aber nicht, und immerhin kam noch eine Statistenrolle bei rum.
Burtons ureigene und sein Schaffen durchziehende Melancholie erweist sich als ungemein passender Unterton für die von Tragödien und Verlusten durchzogene Geschichte. Und trotzdem will der Funke nicht immer überspringen. Dies liegt u.a. an einer etwas zu stark ausgeprägten Künstlichkeit der Bilder, denn ob der Vorhang der Manege oder der Zirkuswagen davor, sehr viel wirkt nicht wie echte Sets oder Ausstattung. In vielen Fällen definitiv unnötigerweise. Was einen etwas auf Distanz hält und nicht völlig eintauchen lässt. Anders bei den Tieren, die sind meist wirklich gut. Weshalb der laufende Running-Gag von Affe hierbei so negativ heraussticht, bleibt ein Rätsel. Musikalisch sorgt abermals Komponist Danny Elfman für den richtigen Ton, und kreiert bei seiner Mischung aus Hommage an den Klassiker und Neuschöpfungen einen stimmig sehr passenden, eingängigen und auch einen „Baby Mine“ nicht vermissen lassenden Soundtrack. Nichts für die Ewigkeit, aber gut und überwiegend passend. Ganz wie der Film, der allerdings wunderbar nur vage, lose und nur hier und da Elemente und Story-Details aus dem Original aufgreift. Je länger er läuft, desto mehr schlägt er ganz und gar seinen eigenen Kurs ein. Man nimmt sich was man braucht und für notwendig erachtet, und macht seine eigene Attraktion daraus. Ein sehr löblicher Ansatz, und so bietet der 2019er „Dumbo“ auch den alteingesessenen Fans eine frische und neue Geschichte, die nicht nur auf eine Wiederholung in fotorealistisch animiert, statt gezeichnet hinausläuft. Statt zu wiederholen, verbeugt man sich vielmehr und auch öfters. Und so findet gar eine angenehm passende Reminiszenz der Rosa Elefanten-Szene von damals ihren Platz. Und diesmal gar ganz ohne Alkohol. Bei all der überwiegend tollen Animation und dem Verbeugen vor dem Original bleibt aber leider die Emotionalität – mit welcher das Original auch heute noch Tränen in so manch gestandene Kinder, Männer- und bestimmt auch Frauen-Augen treibt – ein wenig auf der Strecke. Aber nur ein wenig, denn wenn auch nicht ganz so der Tränen und Gänsehaut-Garant, auch im neuen „Dumbo“ steckt ne Menge Emotionalität und Herz. Und wenn das Elefantenbaby hier seine Mama vermisst, ist das auch im Realfilm ähnlich zu Herzen gehend wie damals. Aber eben auch nur ähnlich. Manche Eindrücke und Gefühle kann man einfach nicht erneut erschaffen und erzwingen. Aber vielleicht ist man dafür auch lediglich zu wenig Kind geblieben.
Denn für Kinderaugen wird hier unglaublich vieles ein Fest sein. Mit recht sicher sehr großen Augen und Staunen bei den Kleinen. Und da passt es auch sehr gut, dass die deutsche Freigabe für Kinder ab 6 Jahren festgelegt wurde. Sehr passend, ist „Dumbo“ auch und vor allem ein Film für und mit der Familie. Für „nur“ Erwachsene vielleicht eine Spur zu seicht, zu sehr kenne ich bereits – nicht unbedingt nur aus dem Original, eher generell. Und auch wenn Burton einen Hauch an Düsternis hinein tröpfeln lässt, scheint auch dieser „Dumbo“ tatsächlich wie für Sonntage mit der Familie im Kino gemacht. Der Elefant ist knuffig, es gibt was zum Staunen, und für die Kinder ist sofort ersichtlich, wer gut und wer böse ist. Denn wenn Michael Keatons V.A. Vandevere mit seinem perfektem Zahnpasta-Lächeln auftaucht ist klar, dass er genauso falsch ist, wie seine Haare. Ein Familienfilm eben. Die Erwachsenen freuen sich, dass sich die Kinder freuen und man eine gute Zeit zusammen hat. Zudem gibt es eine Story, in der eine emotionale Heilung nach traumatischen Ereignissen und Verlusten zentraler und doch versteckter Bestandteil ist, gepaart mit einigen netten Botschaften: Tiere haben in Gefangenschaft nichts verloren, große, mächtige und finanziell besser dastehende und sich für was Besseres haltende Menschen in ihren „Dreamlands“ beuten immer die kleineren aus – und setzen diese nachdem sie haben was sie wollen vor die Tür. Dass die Neuinterpretation mit speziell letzterer Botschaft nun ausgerechnet pünktlich nach Abschluss des Kaufs von 20th Century Fox durch Disney und mit dem einhergehenden Stellenabbau, der Reduzierung der jährlichen Veröffentlichungen von Fox auf vier Filme… daher kommt. Einkalkulierter Zynismus? Selbstironisches Stepptanzen auf dem doppelten Boden der Manege seitens des Konzerns Disney? Oder doch bloß der klassische Fall von Ironie des Schicksals? Etwas, was vermutlich jeder für sich entscheiden muss und sollte.
Fazit:
Der 2019er „Dumbo“ ist ein klassischer Familienfilm mit klar definierten Guten und Bösen geworden, mit Szenen zum Staunen und den Atem anhalten, und bei dem Eltern und Kinder sicherlich eine gute Zeit haben werden. Einer von Burtons besseren Filmen der letzten Jahre und viel runder und auch wunderbarer als sein Remake-Trip ins Wunderland.
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