BG Special: Buchverfilmungen – Enttäuschung vorprogrammiert?

6. Januar 2019, Andreas Koch

Buchverfilmungen haben keinen guten Ruf bei den Lesern und werden meistens als enttäuschend empfunden, denn „Das Buch war besser“. Bei einem solchen Vergleich gibt es allerdings mehrere Faktoren, die beachtet werden sollten. Filme und Bücher sind unterschiedliche Medien und müssen dementsprechend unterschiedliche Bewertungskriterien erfüllen, um das Publikum zu überzeugen. Während bei einem Buch der Schreibstil eine große Rolle spielt – in manchen Genres mehr als in anderen -, lässt er sich in den seltensten Fällen auf die Verfilmung übertragen. Dies kann höchstens in Form einer Erzähler-Stimme aus dem Off erfolgen und hat dann trotzdem nicht den gleichen Stellenwert wie der Schreibstil in einem Buch.

Das Gleiche gilt für die Gedankengänge von Figuren, die in einem Roman oft sehr ausführlich geschildert werden, aber nur bedingt in einen Film übernommen werden können. Die einfacheren von ihnen lassen sich mit Mimik und Gestik darstellen (je nach Fähigkeiten der jeweiligen Schauspieler), aber viele sind zu komplex und umfangreich, um mit Körpersprache vermittelt werden zu können. Wobei es auch vom jeweiligen Genre abhängt – immerhin können z.B. die Ermittler in einem Krimi alles, was ihnen durch den Kopf geht, in einem Dialog äußern, während in einer Robinsonade keine solche Möglichkeit zur Verfügung steht. Da kann höchstens ein Volleyball als Nebenfigur eingeführt werden, damit der einsame Überlebende seine Gedanken dem Publikum vermitteln kann.

Auch Gerüche lassen sich in einem Buch besser beschreiben als man sie in einem Film darstellen könnte. In der Verfilmung von Das Parfüm versuchte man, die Düfte mithilfe von Farben zu vermitteln, was aber nur teilweise gelang. Bei einem Film kommen Faktoren ins Spiel, die es in den Büchern nicht gibt – zum Beispiel die visuellen Effekte, die schauspielerischen Fähigkeiten der Darsteller, der Soundtrack usw. Natürlich können auch in einem Buch Explosionen beschrieben und bekannte Lieder erwähnt werden, aber es ist eine Sache, sich so etwas in Kopf vorzustellen, und eine ganz andere, es tatsächlich zu sehen oder zu hören. Es hängt dann auch nicht nur von der Fähigkeit eines Autors ab, solche Bilder, Gerüche und Geräusche zu beschreiben, sondern auch von der Vorstellungskraft jedes einzelnen Lesers, der hier in gewisser Weise einen Teil der Arbeit übernehmen muss.

Wenn wir also von „besser“ oder „schlechter als das Buch“ reden, meinen wir „der Film ist nach Filmkriterien besser als das Buch nach Buchkriterien“ – oder eben schlechter. Alles andere wäre der sprichwörtliche Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Eine vorlagengetreue Verfilmung ist nicht zwangsläufig eine gute. Es reicht nicht, den Text der Vorlage eins zu eins ins Drehbuch zu übernehmen, um einen gelungenen Film daraus zu machen. Oft ist es sogar von Vorteil, Änderungen vorzunehmen.

Bei dem Vergleich einer Buchverfilmung mit ihrer Vorlage spielt die Reihenfolge (Buch-Film oder Film-Buch) ebenfalls eine Rolle. Wer das Buch zuerst las, hat dabei die gesamte Handlung vor dem inneren Auge abspielen sehen und wird jede Verfilmung kritischer beurteilen als jemand, der den Film unvoreingenommen sieht. Ein sehr häufiger Kritikpunkt bei Buchverfilmungen ist, dass die Figuren im Film ganz anders aussehen als die Zuschauer sie sich beim Lesen vorgestellt haben. Ebenso oft fehlen in der Verfilmung manche Figuren oder ganze Handlungsstränge. Obwohl solche Änderungen einen Film nicht selten verbessern (Beispiele werden im nächsten Special folgen), werden sie trotzdem als etwas Negatives wahrgenommen.

In dieser Hinsicht ist es von Vorteil, sich die Verfilmung zuerst anzusehen – zumindest wenn der Film an sich halbwegs gut gemacht ist. Denn nach einem schlechten Film wird kaum jemand geneigt sein, noch die Buchvorlage zu lesen – selbst wenn sie deutlich besser ist als der Film es ahnen lässt. Dadurch können einem schon einige großartige Bücher entgehen. Nehmen wir zum Beispiel Stephen Kings Shining. Die erste Verfilmung von Stanley Kubrick (mit Jack Nicholson in der Hauptrolle) aus dem Jahr 1980 war sehr intensiv und spannend und hat viele Leute dazu bewogen, das Buch zu lesen. Dabei wich sie deutlich von der Vorlage ab und Stephen King war so unzufrieden, dass er 1997 eine vorlagengetreue Neuverfilmung als Mini-Serie produzierte. Auch wenn sie nicht ganz miserabel war, so war sie doch sehr zäh und mit 4,5 Stunden Gesamtdauer zu langatmig. Es ist zu bezweifeln, dass die Leute nach der Sichtung dieses Films in die Buchläden gerannt sind, um sich den Roman zu kaufen. Es hätte sie eher davon abgeschreckt, überhaupt jemals ein Buch von Stephen King zu lesen, wenn diese Mini-Serie alles wäre, was sie mit dem Autor verbinden. Macht doch einmal den Test und fragt eure Bekannten nach ihren Lieblings-Buchverfilmungen. In der Regel werden sie solche nennen, die sie vor dem Lesen des jeweiligen Buches gesehen haben.

Um Enttäuschungen zu vermeiden, ist es besser, wenn wir uns angewöhnen, die Filme als ein anderes Medium mit anderen Ansprüchen zu sehen und möglichst unvoreingenommen an sie heranzugehen – was zugegebenermaßen nicht leicht ist.
Für die Schriftsteller ist übrigens fast jede Verfilmung ihres Buch von Vorteil, solange sie nicht so schwach ist, dass sie mehr Leute abschreckt als zum Kauf des Buches bewegt.

Im nächsten Teil dieser Reihe werden wir Buchverfilmungen vorstellen, die besser als ihre Vorlagen sind.

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