Game-Kritik: „Alien: Isolation“ + DLCs

28. Februar 2019, Christian Mester

15 Jahre nach den Ereignissen von ALIEN erhält Ripleys Tochter den Auftrag, auf einer Raumstation einen Flugschreiber zu untersuchen. Man hat die Blackbox der Nostromo gefunden, jenes Schiffes, mit dem ihre Mutter damals verschwand…

(C) 20th Century Fox

ALIEN ISOLATION (2016)
Studio: Creative Assembly
Publisher: SEGA

##> Beachtet auch unseren aktuellen ALIEN PODCAST zu allen 7 Alien Filmen.

Als Aliens: Colonial Marines im letzten Jahr mit stumpfem Shooterdesign und antik-altbackener Grafik rauskam, empfanden es die meisten gelinde gesagt als nicht so super, obgleich die vielen Filmverweise und der Versuch, es im Kanon der Filme unterzubringen, amüsant ausfielen – das Hufeisen-Raumschiff zu besichtigen, wird halt nie langweilig.

Bei SEGA hat man die enorme Kritik erhört, und jetzt haben sie mit Alien: Isolation ein neues Spiel, das Fans des ersten Films ganz und gar wuschig machen sollte. Denn es ist quasi exakt der Film. Weg mit den Wummen, stattdessen heißts mit einer wehrlosen Mechanikerin um ihr Leben zu bibbern. Ripley-Tocher Amanda hat des Öfteren Waffen zur Hand, doch nichts genügt um das Alien zu verletzen. Wird man von dem Xeno entdeckt, bedeutet das fast immer zu sterben. Das führt dazu, dass man einen Heidenrespekt entwickelt. Hört man es in der Nähe wütend hissen oder hört man, wie es durch die Luftschächte poltert, heißts oh fuck, schnell verstecken. Ab in Schränke, unter Schreibtische oder hinter Barrikaden. Hoffen, dass man nicht versehentlich Krach macht. Das macht irre Spaß und ruft außerordentlich effektiv in Erinnerung, wie gruselig und monströs das Alien im ersten Film in Erscheinung tritt.

(C) 20th Century Fox

Anstatt komplett mit getriggerten Scripten zu arbeiten, ist das Alien mit einer künstlichen Intelligenz realisiert. Wie ein Bot agiert es eigenständig, dh es läuft, klettert und pirscht nach eigenem Ermessen. Es kommt vor, dass es aus der Ferne plötzlich angelaufen kommt, oder, dass es wie in Alien 3 direkt neben einem hallo sagt und tatenlos weiterzieht. Als hätte es mal Hunger und mal nicht. Während die meisten Games KI maximal für Patrouillenwege dusseliger Wachen einsetzen, wirkt das Alien also wie ein denkendes Raubtier, das unberechenbar umherzieht und damit eine echte Herausforderung darstellt. Zur Intensivierung ist das Speichern eingeschränkt. Überall auf der Raumstation sind Terminals angebracht, an denen man jedes Mal erst 3 Sekunden ausharren muss, bevor gespeichert wird. Folglich ergeben sich zwei kontinuierliche Antriebe: ständiges Verstecken mit der Angst entdeckt zu werden, und von einer Speichermöglichkeit zur nächsten huschen.

Für diese unübliche Spielart muss man definitiv zu haben sein, denn im Gegensatz zu Thief und Hitman gibt es keine alternative Spielweise für Schleichmuffel oder sonstwie ungeduldige. Wenn in den Spielen ein Wachmann Alarm schlägt, schlägt man ihn halt nieder oder flüchtet. Mit dem Alien geht das nicht. Selbst die leichte Schwierigkeitsstufe ist bereits happig. Nicht Dark Souls, Ninja Gaiden schwierig, aber schon ziemlich, ziemlich schwierig. Wenn man es denn relaxt casual spielen will. Wer sich, und so sollte es sein, dagegen völlig auf das Spiel einlässt, die Lautstärke aufdreht und sich mit Ripley zusammen hinkauert, Geräuschen lauscht und sorgsam ihre nächsten Schritte plant, der stirbt sehr viel seltener – und lebt andererseits richtig auf. Alien: Isolation ist zweifellos eins der spannendsten Spiele aller Zeiten geworden. Von dem Alien gejagt zu werden ist ein schöner Spaß, was daran liegt, dass Alien einer der spannendsten Filme ist und das Spiel ein authentisches Simulationserlebnis dessen ist.

(C) 20th Century Fox

Bei allen Filmspielen ists so, dass man am liebsten die gleichen Orte des Films in Spielform besucht, man aber nicht bloß die gleiche Handlung nachspielen will. In Isolation gibt es eine andere Ripley auf einer anderen Raumstation, aber es ist recht gleich mit dem Abenteuer der Sigourney Weaver Ripley. Die Station sieht von innen und außen genau so aus wie die Nostromo. Das Alien ist super gelungen, aber gleiches Lob gebürt den Levelgestaltern. In aktueller Highend-Grafik wird der Stil der ersten beiden Filme perfekt nachgeahmt, diese 70er Vision einer hauptsächlich praktischen industriellen Einrichtung, mit gezielt gelegentlichen höherwertigen Elementen. Etliche Schauplätze sind von gleicher Bauart, sodass man ständig das Gefühl erlebt, durch den zeitlosen ersten Film zu laufen. Es gibt sogar einen Flashback, in der man einen gewissen Ort besucht… der wahnsinnig gut eingefangen ist. Mit Oculus Rift VR muss das Spiel ein ekstatisches Erlebnis sein. Das Alien bleibt im Verlauf nicht der einzige Feind. Öfter trifft man auf schießwütige Menschen oder Androiden, allerdings lassen diese sich töten. Mit ihren leuchtenden Augen und unerbittlichen Würge-Angriffen fallen die Droiden ebenfalls recht schaurig aus. Dass die junge Ripley eine Mechanikerin ist, wird thematisiert. Gesammelte Ressourcen lassen sich nach Fund von Bauplänen zu Medikits und Wurfwaffen wie Mollys umbauen, laufend findet sie neue Werkzeuge um verschlossene Türen aufzuschweißen, und für Terminals werden unterschiedliche Hacking-Arten abgefragt. Das hat kein Rollenspiel-Niveau und „Crafting“ wäre weit gegriffen, ist aber nett gemacht.

Insgesamt ist das Spiel um die 15-20 Stunden lang. Endlos vor dem Alien flüchten? Nicht, da die Macher Ripley weite Wege mit unterschiedlichen Plätzen beschreiten lassen und man auch mal lange Abschnitte ohne Alien-Verfolger verbringt. Gerade, wenn es sich zu wiederholen droht bleibt es dann mal weg, und wenn man schon fast tanzend sicher durch die Gänge läuft, gibt’s ein Wiedersehen. Wenn wir uns wie Ripley mit Schiffscomputer MUTTER unterhalten wollen, um Mängel zu finden: Es ergibt Sinn, dass die Androiden im Spiel alle gleich aussehen, aber man trifft zu viele des gleichen Typs. Bedauerlich ist es, dass es keine sammelnswerten Collectibles gibt. Man scrollt durch dutzende E-Mails, in denen man wie in Doom 3 die Geschehnisse auf der Basis nachlesen kann, aber wirklich packend ist das nicht. Cooler wäre es gewesen, Artworks freizuspielen, neue Waffen, Minispiele, geheime Weyland-Yutani Akten oder engere Verweise auf die anderen Filme. Etwas, das Sammellaune weckt, und seien es die Tauben aus GTA 4 oder die Medaillen aus RE 6. Größter Minuspunkt von allen ist der ständige Dialog mit anderen Figuren. Im Laufe der zig Stunden trifft Ripley auf andere Überlebende, meistens per Funk, doch die bleiben völlig gleichgültiges Alienfutter. Man könnte sogar alle Gespräche mit Freunden und Feinden rausschneiden, ohne nennenswert was zu verlieren. Letzendlich geht’s um Ripleys Hintern und wie (bzw. ob) dieser von der Raumstation heil davon kommt, und das allein reicht als gewaltiges Erlebnis.

In der RIPLEY EDITION gibt es zudem zwei DLCS, in denen man mit der original Crew des ersten Films kurze Ausschnitte nachspielen darf. In „Besatzung entbehrlich“ versucht man, das Alien durch Schließung einiger Schächte in die Luftschleuse zu jagen. In „Letzter Überlebender“ muss man den Selbstzerstörungsmechanismus aktivieren und zum Rettungsshuttle laufen. Beide DLCs haben eine Spielzeit von vielleicht 10 Minuten pro Stück, sind aber nette Ergänzungen. Im O-Ton sprechen die Schauspieler des Originals die Kultfiguren und bei dem Nachbau der Filmsets wird nochmal deutlich, wie nah die Leveldesigns des Spiels am Film gehalten sind. Als Fan ist man vermutlich wenig erfreut, dass die DLCs so kurz geraten sind und nur Augenblicke des Films nachspielen lassen, aber nach 20 Stunden erstklassiger Alien Unterhaltung gibt’s nichts mehr zu mosern: intensiveres interaktives Alien Material gab es so noch nicht. Für Fans des Films ist es ein traumhaft gutes Spiel und ein Referenztitel für fast alle kommenden Film-Versoftungen. SO macht man das.

Fazit:
Alien: Isolation ist eine außerordentlich großartige Quasi-Simulation des ersten Films. Dem Spielprinzip muss man sich durchaus beugen und insgesamt ist es vielleicht einen Tacken zu lang, aber wer sich darauf einlässt, erfährt eines der intensivsten Spielerlebnisse der letzten Jahre. Das vielleicht beste Spiel-zum-Film aller Zeiten.

9/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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